In Hongkong laufen regelmäßig große Demonstrationen für mehr Demokratie. Viele der Anführer von früher sitzen inzwischen für lange Zeit im Gefängnis. Um sich zu schützen, kommunizieren die Hongkonger inzwischen über Apps oder Smartphone-Funktionen, die eigentlich für andere Zwecke gedacht sind - seit neuestem: Airdrop.

Protestforscher Andy Buschmann saß in Hongkong in der Bahn, als plötzlich etwas auf seinem Iphone aufploppte. Er hatte eine Message über Airdrop bekommen. Zunächst war er verdutzt und irritiert. Er kannte niemanden um sich herum. Wer hätte ihm eine Nachricht oder ein Foto schicken sollen?

Suchend schaute er sich um. Alle Menschen schauten auf ihr Iphone. Offenbar hatten sie dieselbe Nachricht erhalten. Was Andy Buschmann zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: In Hongkong ist das inzwischen keine Seltenheit mehr.

Demonstrations-Infos kommen per Airdrop

Die regelmäßigen Demonstrationen für mehr Demokratie werden im Geheimen organisiert. Die führenden Köpfe von früher sitzen inzwischen für lange Zeit im Gefängnis. Polizei und chinesische Regierung tun alles, um Protestaktionen zu verhindern.

Auf der Nachricht, die Andy Buschmann in der Hongkonger Bahn per Airdrop bekommen hatte, standen Zeit und Ort der nächsten Demo. Dem Protestforscher war klar, dass er mehr darüber erfahren wollte.

Andy Buschmann in Hongkong.
Andy Buschmann in Hongkong

Nach etwas Recherche fand Andy Buschmann heraus, dass die Hongkonger Airdrop inzwischen gerne nutzen, um an öffentlichen Plätzen Protestposter und Aufrufe zu Demonstrationen zu verschicken. Weil die meisten ein Iphone besitzen, ist es eine gute Methode, ohne Internet Informationen großflächig in der Bevölkerung zu verteilen, sagt Andy Buschmann.

Airdrop ist eine Funktion des Iphones, die es ermöglicht via Wifi oder Bluetooth Dateien mit Menschen zu teilen, deren Smartphones sich in einem Umkreis von ein paar Metern befinden. Eine Internetverbindung ist dafür nicht nötig. Die Dateien werden direkt von Handy zu Handy geschickt - zumindest, wenn Airdrop generell aktiviert ist.

Wer Airdrop-Nachrichten bekommt, geht häufiger zu Demos

Andy Buschmann hat herausgefunden, dass Menschen, die solche Airdrop-Nachrichten auf ihr Smartphone geschickt bekommen, häufiger zu Demonstrationen gehen. Und selbst Menschen, die keine Aktivisten sind, verschicken sie in der Bahn weiter, so Andy Buschmann.

"Ich glaube, um eine Information zu streuen, ist Airdrop in Hongkong gerade sehr wichtig."

Andy Buschmann weiß, die Menschen in Hongkong müssen nach sicheren Wegen der Kommunikation suchen. Überwachung durch den Staat macht es den Demonstrierenden schwer, sich abzusprechen. Airdrop ist hingegen eine sichere Methode, geheim zu kommunizieren und möglicher Zensur vorzubeugen - denn das Kommunikationsprinzip ist dezentral: Die Nachrichten werden von Person zu Person übertragen, ohne dass sie einen zentralen Server passieren müssten.

Sympathie für Demonstrierende

Dass Apple vor kurzem eine App aus dem Store genommen und gelöscht hat, worüber man auf einer Karte sehen konnte, wo gerade Demonstrationen sind und wo die Polizei steht, wundert den Protestforscher nicht. Das sei kein Novum, so Andy Buschmann. Schon häufiger sei Apple gegenüber der chinesischen Regierung eingeknickt und habe Apps entfernt.

Andy Buschmann glaubt aber, dass die Löschung dieser App den Demonstrierenden eher genutzt als geschadet hat. Durch die öffentliche Debatte im Anschluss sei offen gelegt worden, wie viel Einfluss die chinesische Regierung auf westliche Unternehmen hat. Die Demonstrierenden, die für mehr Demokratie auf die Straße gehen, hätten dadurch eher mehr Sympathie bekommen, so Andy Buschmann.

Shownotes
Protest-Organisation
Erschwerte Kommunikation: Demonstrierende in Hongkong werden kreativ
vom 14. Oktober 2019
Moderatorin: 
Tina Howard
Gesprächspartner: 
Andy Buschmann, Politikwissenschaftler und Protestforscher