Die absehbare Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg setzt eine Flucht- und Vertreibungswelle in Gang. Der Vormarsch der Roten Armee bewegt viele Menschen dazu, ihre Heimat Richtung Westen zu verlassen. Eine Zeitzeugin blickt zurück.
Es gehört zu den größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Flucht- und Vertreibungswelle in Gang gesetzt wurde, von der viele Millionen Menschen betroffen waren. Ursache der Vertreibung waren die Eroberungs- und Vernichtungskriege des nationalsozialistischen Deutschlands, in deren Verlauf ebenfalls Millionen Menschen deportiert, umgesiedelt und verschleppt worden sind.
Als Mitte 1944 klar wird, dass die Deutschen den Krieg nicht mehr gewinnen können, die Rote Armee vom Osten und die alliierten Truppen von West und Süd gegen das Deutsche Reich vorrücken, machen sich die ersten Flüchtlinge aus Ostpreußen auf den Weg gen Westen.
"Der Vormarsch der Roten Armee Richtung Westen konnte nicht mehr gestoppt werden. Viele – auch deutschsprachige – Menschen machten sich auf die Flucht."
Bis Mai 1945, als der Krieg mit der deutschen Kapitulation endet, zieht sich auf der Flucht vor der Roten Armee ein Elends- und Flüchtlingstreck aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die von den westlichen Alliierten besetzten Teil des untergegangenen Deutschen Reichs.
Vertreibungen: Teile Polens werden "verschoben"
Als zudem auf den alliierten Konferenzen beschlossen wird, dass die Sowjetunion den im "Hitler-Stalin-Pakt" vom 23. August 1939 geraubten polnischen Gebiete behalten und Polen dafür in gleicher Größenordnung nach Westen "verschoben" wird, beginnt der zweite Teil der Vertreibungen. Im Osten wird die polnische Bevölkerung von den Sowjets vertrieben, im Westen Polens müssen die dort lebenden Deutschen fliehen.
Ähnliche Wirkung haben die "Benes-Dekrete" in der Tschechoslowakei, mit denen 1947 rund 2,9 Millionen Angehörige der deutschen Bevölkerungsgruppe zu Staatsfeinden erklärt und ausgebürgert werden. Das ist eine Reaktion auf das Münchner Abkommen vom 29. September 1938, mit dem das Sudetenland an Deutschland abgetreten und binnen zehn Tagen geräumt werden musste. Insgesamt sind mehr als zwölf Millionen Menschen von Flucht und Vertreibung in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg betroffen. Die Schlesier stellen dabei die größte Gruppe.
Ihr hört außerdem in Eine Stunde History:
- Die gebürtige Schlesierin Siegrid Krülle erinnert sich an ihre eigene Flucht, die sie mit sechs Jahren erlebt hat.
- Der Historiker Mathias Beer hat eine umfassende Studie zu Flucht und Vertreibung der deutschen Minderheiten aus Osteuropa geschrieben.
- Jan Ruhkopf befasst sich mit dem Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, das bis 1969 existiert und die Integration der Flüchtlinge in die westdeutsche Gesellschaft vorangetrieben hat.
- Der Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die Ursachen von Flicht und Vertreibung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
- Deutschlandfunk Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff erinnert an das Schicksal vieler Millionen Heimatvertriebener
Unser Bild zeigt Sudetendeutsche, die im Mai 1946 per Zug von einem Lager in Prag nach Deutschland deportiert werden.
- Siegrid Krülle erinnert sich an ihre eigene Flucht
- Mathias Beer, hat eine Studie zu Flucht und Vertreibung der deutschen Minderheiten aus Osteuropa geschrieben
- Jan Ruhkopf, befasst sich mit dem ehemaligen Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
