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Das Internet ist der Ort für gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Er unterliegt damit den Strukturen und Dynamiken des Netzes, vor allem der Social-Media-Plattformen. Was bedeutet das für die Meinungsfreiheit? Ein Vortrag von Johanna Rinceanu.

Das Internet hat ohne Frage viele Vorteile für den gesellschaftlichen Diskurs, für politische Debatten und auch für zivilgesellschaftliches Engagement. Aber eben nicht nur. Die Debattenkultur im Netz ist rau: Hate Speech, Fake News, Beleidigungen sind an der Tagesordnung, auch Straftaten werden online begangen. Zudem ist das Internet auch ein Ort von Überwachung und Zensur.

"Die Struktur des Internets per se erlaubt keine einfache Regulierung. Digitale Plattformen operieren grenzüberschreitend und haben eine globale Reichweite."
Johanna Rinceanu, Juristin

"Die radikalen Veränderungen in der digitalen Welt haben neue rechtliche Herausforderungen mit sich gebracht", sagt die Juristin Johanna Rinceanu. "Nationale strafrechtliche Kontrolle hat sich als weitgehend ineffektiv herausgestellt." Denn das Netz ist global.

"Die Machtkonzentration dieser privaten Technologieunternehmen ist besorgniserregend."
Johanna Rinceanu, Juristin

Und die kleine Gruppe der großen Player – die sogenannten "Big Five" Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook) und Microsoft – haben eine absolute Monopolstellung sowie enorme wirtschaftliche und damit auch politische Macht. Wer das Internet und Social-Media-Plattformen regulieren will, kommt an ihnen nicht vorbei.

Die drei digitalen Imperien

In ihrem Vortrag skizziert die Strafrechtlerin die drei sogenannten digitalen Imperien, die sich herausgebildet haben: die EU, die USA und China. Alle drei verfolgen sehr unterschiedliche Modelle der Internetregulierung, haben unterschiedliche Konzepte von Meinungsfreiheit und stehen damit in Konkurrenz zueinander.

Johanna Rinceanu erklärt diese drei Modelle, ihre Entwicklung und Probleme. Dabei liefert sie viele spannende Fakten – wie etwa den Not-so-fun-fact, dass ausgerechnet die deutsche Gesetzgebung die Blaupause für Internetzensur in China und anderen autoritären Staaten geliefert hat.

EU: Recht auf freie Meinungsäußerung nicht absolut

Während die USA einen marktorientierten Ansatz verfolgen und China ein staatlich orientiertes Modell, steht in der EU der Mensch im Zentrum, erklärt die Juristin weiter. Grundlage: die Menschenrechte und die Idee eines fairen Marktes – wobei das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht absolut geschützt wird, sondern in Konkurrenz steht zu anderen Menschenrechten, darunter der Menschenwürde oder dem Recht auf Privatsphäre.

Der Digital Services Act – ein Problem für die Meinungsfreiheit

Im weiteren Vortrag analysiert Johanna Rinceanu, wie die Europäische Union mit dem Gesetz über digitale Dienste aka Digital Services Act (DSA) Regeln für digitale Dienste, vor allem Online-Plattformen, festlegt hat – und warum diese ihres Erachtens ein Problem darstellen.

"Diese privaten Unternehmen fungieren zunehmend als Gatekeeper an der Schwelle der Menschenrechte, indem sie den öffentlichen Diskurs kontrollieren."
Johanna Rinceanu, Juristin

Unter anderem kritisiert sie, dass bei der Regulierung der Fokus fast ausschließlich auf die Einschränkung "problematischer" Online-Inhalte gesetzt würde – welche genau das sind, erklärt sie im Vortrag. Und dass die Phänomene der Massenüberwachung und der privatisierten staatlichen Zensur, die immer weiter an Fahrt aufnehmen, so gut wie gar nicht berücksichtigt würden.

"Wir überlassen es privaten Unternehmen zu entscheiden, ob ein Inhalt gelöscht wird oder nicht."
Johanna Rinceanu, Juristin

Nicht zuletzt und vor allem übt sie auch Kritik an der Rolle sozialer Medien, die ihres Erachtens zu Gatekeepern an der Schwelle der Menschenrechte gemacht werden: "Digitale Dienstanbieter werden auf diese Weise in die Rolle einer privaten Paralleljustiz gedrängt", mahnt sie – und warnt vor einer konkreten Gefährdung der Meinungsfreiheit und der Demokratie insgesamt.

Johanna Rinceanu ist Strafrechtlerin und Senior Researcher am Max-Planck-Institut
© Jessica Alice Hath
Johanna Rinceanu, Strafrechtlerin und Senior Researcher am Max-Planck-Institut

Johanna Rinceanu ist Strafrechtlerin und Senior Researcher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht. Ihren Vortrag
"Meinungsfreiheit in der digitalen Welt?" hat sie am 13.05.2025 im Rahmen der Reihe "Die Verfassung der Freiheit – Demokratieprobleme der Gegenwart" am Hamburger Institut für Sozialforschung gehalten.

Shownotes
Netz
Digital Services Act: Bedroht Internetregulierung die Meinungsfreiheit?
vom 18. Juli 2025
Moderation: 
Katrin Ohlendorf
Vortragende: 
Johanna Rinceanu, Strafrechtlerin, Senior Researcher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht
  • Vortragsbeginn
Quellen aus der Folge: