Auf die Entscheidungen der Bundesregierung haben wir bislang nur indirekt Einfluss über unsere Stimme bei der Wahl. Die Initiative Abstimmung21 möchte das gerne ändern und probt eine Volksabstimmung auf Bundesebene. Was spricht dafür, was dagegen?

Volksabstimmung gibt es bislang nur auf Ebene der Kommunen und Länder, erklärt Lisa Straka, die Pressesprecherin von Abstimmung21. Weil es für eine solche Abstimmung auf Bundesebene noch kein Gesetz gibt, hat ihr Organisationsbündnis einen Entwurf erarbeitet.

Ein Probelauf für Direkte Demokratie auf Bundesebene

Einen Probelauf gibt es schon dieses Jahr: Parallel zur Bundestagswahl organisiert die Initiative eine bundesweite Abstimmung zu vier Themen:

  • Widerspruchsregelung bei der Organspende
  • Profite mit Krankenhäusern
  • Volksabstimmung auf Bundesebene
  • Klimawende 1,5 Grad

Die ersten beiden Thema wurden über die Petitionsplattformen change.org und Open.Petition – zwei Mitgliedsorganisationen von Abstimmung21 – ermittelt, erklärt Lisa Straka. Die Themen Klima und Volksabstimmung hat die Initiative selbst gesetzt.

"Es ist an der Zeit für neue Beteiligungsformen."
Lisa Straka, Abstimmung21 e.V.

Rechtlich verbindlich wird das Ergebnis nicht sein, die Organisatoren wollen damit ein Zeichen setzen: "Wir brauchen neuen Schwung in der Politik", erklärt Lisa Straka die Absicht des Vereins. Direkte Demokratie in Form von Volksentscheiden habe sich auf Länder- und Kommunalebene als gut und konstruktiv erwiesen. Die Parlamente sollten gestärkt und die Bürger und Bürgerinnen mehr in die Demokratie einbezogen werden.

Volksabstimmungen auf Bundesebene würden eine Grundgesetzänderung voraussetzen

Volksabstimmungen auf Bundesebene sind im Grundgesetz nicht vorgesehen, erklärt der Politikwissenschaftler Marcel Solar. Als unsere Verfassung entstand, war das nicht erwünscht, obwohl es dieses Instrument in der Weimarer Zeit schon gab – unter anderem weil damals die Erfahrungen mit Demokratie nicht die besten waren. Zwar hat sich seither einiges getan, bislang fehlte aber die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, um das Grundgesetz zu ändern, erklärt der Experte für direkte Demokratie.

Pro und kontra Volksabstimmung

Solche Abstimmungen haben verschiedene Vorteile und Effekte, sagt Marcel Solar. So motivierten sie Menschen zu mehr Beteiligung, die Politikzufriedenheit sei höher und die Entscheidungen seien näher an den Wählenden, was auch die Legitimität dieser Beschlüsse steigere.

Kritiker sagen allerdings, dass bei solchen Volksabstimmungen die Rechte von Minderheiten weniger Chancen hätten. Das könne passieren, räumt Marcel Solar ein, allerdings bestünde dieses Risiko auch im Parlament. Und es gebe auch Gegenbeispiele, erinnert er – in Irland etwa wurde auf diese Weise die gleichgeschlechtliche Ehe durchgesetzt.

Marcel Solar, Politikwissenschaftler - Das ganze Gespräch hört ihr hier im Audio.
"Auch im Parlament können Minderheitenrechte unter die Räder kommen."

Andere Gegner von Volksabstimmungen fürchten, dass sie Populisten in die Hände spielen könnten. Auch dafür gibt es in der Tat Beispiele, sagt der Politikwissenschaftler. Der Staat habe aber die Verantwortung, für Transparenz zu sorgen und die Möglichkeit für Wählerinnen und Wähler, sich informieren zu können. Und in Wahlkämpfen und in der repräsentativen Demokratie sei das Risiko der Beeinflussung durch Populisten auch gegeben.

Wenn ihr es selbst ausprobieren wollt: Stand heute (28. August 2021) haben gut 320.000 Menschen teilgenommen. Abstimmungsunterlagen bestellen können alle Wahlberechtigten noch bis zum 5. September. Kurz vor der Bundestagswahl sollen die Ergebnisse bekannt gegeben werden.

Shownotes
Direkte Demokratie
Volksabstimmung auf Bundesebene – Probe aufs Exempel
vom 28. August 2021
Moderation: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Lisa Straka, Volksabstimmung21 e.V.
Gesprächspartner: 
Marcel Solar, Politikwissenschaftlerin