Die Droge Captagon gilt in der arabischen Welt als Kokain-Ersatz. In Syrien wird sie besonders häufig hergestellt. Anschließend wird sie in die andere arabischen Golfstaaten geschmuggelt. Der Islamwissenschaftler Casper Schliephack erklärt, wie das syrische Regime in den Drogenhandel involviert ist.

Captagon gilt als Kokain des kleinen Mannes. In den 60er- und 70er-Jahren wurde es in Deutschland als Medikament gegen Aufmerksamkeitsprobleme hergestellt. In den 80er-Jahren wurde Captagon jedoch wegen seiner schweren Nebenwirkungen in Deutschland verboten.

In Saudi-Arabien ist die Droge weit verbreitet. Captagon gilt als Amphetamin, also als Aufputschmittel und macht wach. Konsumiert wird es unter anderem von jungen Menschen, die zwar oft viel Geld, aber wenig Perspektiven haben. Auch Gastarbeiter*innen in Saudi-Arabien nehmen Captagon, um ihre Leistung zu steigern. Es gibt außerdem Berichte, wonach Hamas-Terroristen beim Angriff am 7. Oktober auf Israel die Droge vor dem Überfall eingenommen haben sollen.

Herstellung von Captagon in Syrien

Ein großer Teil der Droge wird in Syrien hergestellt, in den vom Assad-Regime beherrschten Landesteilen. Islamwissenschaftler Caspar Schliephack erklärt, dass Drogenherstellung und -handel für das Assad-Regime eine Möglichkeit sind, um den Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu finanzieren.

"Das Regime bereichert sich auch durch kriminelle Aktivitäten und nutzt dazu auch den Drogenhandel und Drogenproduktion."
Caspar Schliephack, Islamwissenschaftler

Hintergrund: Seit dem Beginn des Bürgerkriegs 2011 wurden das syrische Regime und sein Unterdrückungsapparat immer weiter von anderen Ländern isoliert und sanktioniert. Deshalb ist es seitdem noch stärker auf die eigene Finanzierung und auf unabhängige Einnahmequellen angewiesen.

Vor 2011 galt der Libanon als Hauptproduzent von Captagon. Mitglieder des syrischen Sicherheitssystems und der Assadfamilie sollen dann erkannt haben, dass es eine gewinnbringende Einnahmequelle sein kann. Inzwischen macht das Regime mit Captagon Milliardenumsätze.

Das Assad-Regime und Captagon-Handel

Die politischen Verstrickungen in den Captagon-Handel in Syrien sind bis zur ministeriellen Ebenen nachweisbar. Maher al-Assad, der Bruder des Präsidenten hat dabei eine Schlüsselposition im Drogenhandel.

"Die Kartelle, über die wir sprechen, sind mit dem syrischen Staatsapparat ganz eng verwoben."
Caspar Schliephack, Islamwissenschaftler

Über die Captagon-Herstellung herrschen in Syrien mehrere Drogenkartelle, die von drei bis vier syrischen Familien geleitet werden sollen. Die EU hat mehrere Personen aus diesen Familien mit Sanktionen belegt.

Syrien: Befreiung aus Isolation durch Captagon?

Besonders viel Captagon wird von Syrien über die Grenze nach Jordanien geschmuggelt, um von da auf die Hauptmärkte in den Golfstaaten verteilt zu werden, sagt Caspar Schliephack. Damit Syrien nach außen sein Gesicht wahren könne, sei vom Assad-Regime vorgegeben, gegen das Schmuggeln und den Handel von Captagon vorzugehen, sagt Caspar Schliephack. Er spricht von einem doppelten Spiel.

"Das Assadregime spielt ein doppeltes Spiel."
Caspar Schliephack, Islamwissenschaftler

Der Islamwissenschaftler weiß, dass zwar manchmal eine größere Ladung an der Grenze gestoppt werde, gleichzeitig aber viele kleine sogenannte Läufer das Captagon über die Grenze nach Jordanien bringen. Jede Nacht seien es mehrere hundert Schmuggler, die militärisch ausgerüstet seien und keine Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Grenzposten hätten.

Shownotes
Drogenhandel
Syrien produziert Captagon für den Nahen Osten
vom 10. Januar 2024
Moderatorin: 
Tina Howard
Experte: 
Caspar Schliephack, Islamwissenschaftler