Ein Ticket, viele Fragen: Bis wohin kann ich in welchem Tarifgebiet fahren, wie lange ist es gültig? Mit einem E-Ticket, das pro Kilometer abrechnet, könnten diese Fragen einfach gelöst werden – doch für die Verkehrswende reicht das nicht.

In Deutschland gibt es 75 Verkehrsverbünde und etliche Tarifzonen. Welches Ticket für welche Strecke gültig ist, kann so schnell zum Rätsel werden – und könnte so einige Menschen dazu bringen doch lieber einfach ins eigene Auto zu steigen. Ein E-Ticket könnte das Problem des Tarif-Flickenteppichs lösen.

"Mit GPS und einem System zum Ein-und Auschecken ließe sich ein E-Ticket umsetzen, aber der politische Wille fehlt."
Christian Böttger, Verkehrsforscher an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Die technischen Möglichkeiten zur Umsetzung eines solchen Systems wären schon da: Über GPS könnten die tatsächlich gefahrenen Kilometer gemessen und mit einem Check-in-Check-out-System schließlich abgerechnet werden. Das könnte beispielsweise über das eigene Smartphone gemacht werden. Gegen dieses System gibt es aber von Daten- und Verbraucherschützern erhebliche Bedenken, sagt Verkehrsforscher Christian Böttger.

Einige Verkehrsbünde haben ein solches System bereits getestet – ein größerer Versuch wurde allerdings noch nicht umgesetzt. Probleme sieht der Verkehrsforscher noch, wenn sich die Nutzer*innen nicht richtig auschecken und der Fahrpreis weiterberechnet wird.

Vereinfachung führt nicht gleich zur Verkehrswende

Verschiedene Tarife und Zonen abschaffen und vereinheitlichen, reicht für eine umfassende Verkehrswende aber nicht aus, meint Christian Böttger. Aus seiner Sicht seien zwar die etlichen Tarife und Zonen ärgerlich, viele Menschen würde das aber nicht wirklich betreffen, da sie sowieso nur in einem Tarifgebiet fahren.

"Wir haben das 49-Euro-Ticket und sehen, dass es zwar das Problem der Tarifzonen löst, trotzdem aber kaum jemanden zum Umsteigen bewegt."
Christian Böttger, Verkehrsforscher an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Über Kilometer abzurechnen ist aus einer Sicht ein Weg, um den Öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen, aber nicht der einzige. Denn das zentrale Problem liege vielmehr darin, das mehr Verbindungen zu schaffen, Pünktlichkeit zu gewährleisten und in das Streckennetz zu investieren.

Gerade das 49-Euro-Ticket zeigt aus seiner Sicht, dass eine Vereinheitlichung des Ticketsystems viele andere Probleme nicht löst – und damit auch nicht die Bereitschaft der Menschen stärkt, ihr Verkehrsverhalten zu ändern. Auch unter seinen Studierenden, die ein verpflichtendes Studi-Ticket haben, würde ein Drittel immer noch mit dem Auto zur Uni fahren.

Shownotes
ÖPNV
Abrechnung pro Kilometer statt Zonendschungel
vom 13. Juli 2023
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Christian Böttger, Verkehrsforscher an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin