Julia Mayer arbeitete bei Wirecard. Vor einem Jahr verschiebt der Finanzdienstleister seinen Jahresabschluss erneut. Es fehlen rund 1,9 Milliarden Euro. Für die Angestellten beginnt ein Albtraum.
Lange Zeit wurde der Wirecard-Konzern als innovatives Geschäftsmodell abgefeiert. Die Umsatzentwicklung war grandios, die Aktionäre und Aktionärinnen hofften auf Gewinne. Dann kam der Absturz – vor genau einem Jahr.
Am 18. Juni 2020 muss Wirecard einräumen, dass rund 1,9 Milliarden Euro fehlen. Am 25. Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an.
Wirecard wurde zu einem der größten Finanzskandale
Julia Mayer arbeitete bei Wirecard in der internen Kommunikation. Am 17. Juni 2020 hatte sie noch viel zu tun - ein Arbeitstag wie andere auch. Sie selbst und ihr Team sind mit einer großen internen Kampagne beschäftigt. "Es war so wie immer", sagt Julia.
"Von meiner Warte aus hat sich da gar nichts angekündigt. Es war wie immer. Die Stimmung war total gut. Es gab viel zu tun."
Am 18. Juni kam eine interne E-Mail: Die Pressekonferenz, um die Jahresbilanz von Wirecard vorzustellen, wird abgesagt. Das war merkwürdig, erinnert sich Julia. Aber besorgt war sie nicht.
"Aber man hat gemerkt, dass sich die Stimmung im Unternehmen aufheizt", sagt Julia. Manche Kolleginnen und Kolleginnen begannen, sich Sorgen um ihren Job zu machen. Julia rechnete zu diesem Zeitpunkt noch damit, dass sich alles erklären lässt.
An diesen Tagen kamen erfuhren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenig. Und es gab immer weniger zu tun. Julia und ihr Team warteten ab, was passiert.
"Es gab weniger zu tun. Wir waren in einer Warteposition."
Nach und nach wurde das Ausmaß des Betrugs deutlich. Es fehlen nicht nur 1,9 Milliarden Euro: Es gab Verluste von sogar 20 Milliarden Euro. An der Unternehmensspitze wurde mutmaßlich betrogen und gelogen.
Markus Braun, der Gründer und ehemaliger Vorstandschef von Wirecard, sitzt bis heute in Untersuchungshaft. Der Ex-Vorstand Jan Marsalek ist weiterhin auf der Flucht.
Am 25. August 2020 verlor Julia ihre Arbeitsstelle. Sie suchte einen neuen Job. Bei Vorstellungsgesprächen reagierten mögliche neue Arbeitgeber verständnisvoll auf ihre Situation, so Julia. Dass sie zuvor für ein skandalöses Unternehmen tätig war, hielt ihr niemand vor.
"Ich hatte eine Art Wirecard-Mitleidsbonus." Julia ging einen anderen Weg und machte sich selbstständig.