"Wir vermissen dich!" – Was sich liest wie eine persönliche Nachricht, hat sich längst als Marketing-Mittel in der Werbung etabliert. Unternehmen duzen ihre Kund*innen oder rufen sie mitleidig auf, doch mal wieder vorbeizuschauen. Das ist nicht nur übergriffig – es funktioniert auch kaum.
Viele Werbe-Nachrichten im Postfach klingen so, als wären sie nicht von Unternehmen an tausende anonyme Kund*innen verschickt, sondern als wären wir Freundinnen und Freunde. Emotionen spielen eine große Rolle – doch die Masche ist längst abgegriffen, erklärt Werbeexpertin Ines Imdahl.
"Ich möchte eigentlich so nicht angesprochen werden. Ich möchte entscheiden, wann ich etwas benutze und nicht dazu ermutigt werden. Also mich regt das tierisch auf."
Deutschlandfunk-Nova-Reporter Alexander Werth hat sich ein wenig umgehört und herausgefunden: So richtig funktioniert diese emotionale Ansprache per Mail nicht. Sie wirkt für viele nicht nur übergriffig, sondern die Masche ist auch längst bekannt, sagt Werbeexpertin Ines Imdahl.
Geheuchelte Nähe wirkt übergriffig
Es ist so ähnlich, als würde jemand auf uns zukommen und uns zur Begrüßung sofort küssen wollen, vergleicht die Psychologin. Oft empfinden wir das als fehl am Platz - schließlich kennt uns das Unternehmen überhaupt nicht. Nach der emotionalen Ansprache folgt meist sofort der Aufruf zum Kauf – das verstärkt das Gefühl der Heuchelei und wir durchschauen das sofort.
"Es geht nicht um dich, es geht nicht um deine Bedürfnisse. Danach wird auch gar nicht gefragt."
Zwar sollten Unternehmen freundlich bleiben, wenn sie etwas verkaufen wollen. Doch eine zu emotionale Sprache verhindert das eher, sagt die Expertin. Die Sprache sei oft nicht professionell, sondern ähnele der Sprache, die wir für die Familie, den oder die Partner*in oder nahestehende Personen verwenden.
Was ebenfalls dazu beiträgt: Das ständige Du. Unternehmen wie Facebook, Airbnb, Xing oder Twitter setzen schon lange auf diese persönliche Ansprache – obwohl Duzen auch kränkend sein kann, weil es eine Nähe vortäuscht, die nicht da ist, sagt Ines Imdahl.
Es zählen die erreichten Kontakte
Wir durchschauen diese Taktik und trotzdem setzen immer mehr Unternehmen auf eine emotionale Ansprache. Das liegt laut Ines Imdahl daran, dass immer noch das Prinzip "Masse statt Klasse" herrscht: Die Werbewirtschaft rechnet immer noch in erreichten Kontaktzahlen.
"Aus psychologischer Sicht ist das falsch. Ist eine Werbung tatsächlich gut gemacht, reicht ein einziger Kontakt – dann darf man den Menschen auch wieder in Ruhe lassen."
Die Expertin hält das für wenig sinnvoll. In einer Studie hat sie 14- bis 18-Jährige befragt und herausgefunden, dass Fernsehwerbung besser funktioniert. Denn diese ist weniger personalisiert und landet nicht im eigenen Postfach.
Emotionale Ansprache ist als Mittel abgegriffen und funktioniert nicht mehr. Viel eher wollen die Menschen laut Ines Imdahl von Werbung überrascht werden: Wenn wir etwas Neues lernen, sind die Chancen höher, dass wir darauf anspringen, als wenn ein Unternehmen beteuert, wie sehr es uns vermisst.
"Bloß nicht draufklicken und reagieren. Sonst vermissen dich die Unternehmen immer und immer wieder."