Massiv Geld reinpumpen und deregulieren – so wollen die USA der führende KI-Player bleiben. China holt auf. Europa könnte KI-Lieferketten und Nischen bedienen, helfen soll Geld von EU und Privatwirtschaft, Bürokratieabbau und gigantische Rechenzentren.
Sie sind die großen Player auf dem Markt: USA und China. Während US-Präsident Donald Trump "Stargate" (einen Zusammenschluss von großen Tech-Firmen und sehr viel Geld) verkündet, überrumpelt die KI-App Deepseek aus China die US-amerikanische Konkurrenz. Und die EU? Sie versucht sich im Regulieren all dessen, was mit KI an Veränderungen, Chancen und Risiken einhergeht.
Das bedeutet aber eben auch, dass der europäische Markt wesentlich langsamer agiert.
Die kostbarste Währung für KI: Daten
Carina Rotkegel hat einige Jahre für ein deutsches Start-up gearbeitet, das sich in der KI-Branche versucht hat, im Sommer 2024 jedoch Insolvenz anmelden musste.
Vor fünf Jahren, Ende 2019, als sie in der "klassischen Start-up-Klitsche", wie sie sie nennt, angefangen hat, war das ganze Team noch voller Tatendrang. Sie, die Sprachwissenschaftlerin, die Machine Learning Engineers und Data Workers wollten forschen und etwas formen, was es so als Technologie noch nicht gab: ein KI-Sprachmodell. Vom Prinzip arbeitete das Team an etwas Vergleichbarem wie Chat GPT.
Doch es hat sich relativ schnell herausgestellt, dass das damalige GPT-Modell deutliche Vorsprünge gegenüber dem Modell ihres Start-ups hatte, berichtet Carina Rotkegel.
Die Angst vor KI in Deutschland
Das habe zum einen am Geld gelegen, über das ihr Start-up nicht verfügte. Beziehungsweise an der Schwierigkeit, Investoren für die Entwicklung von etwas zu begeistern, unter dem sich (noch) niemand etwas vorstellen konnte. Die Angst und die Vorbehalte gegenüber KI sind in Deutschland riesig, sagt Carina Rotkegel.
Bis heute.
"In deutschsprachigen Podcasts hatte man immer nur so zwei Extreme: Entweder man sagte, die [KI] kann ja noch gar nichts. Oder aber es wurden dystopische Geschichten erzählt.“
Die eigentliche Hürde für das Start-up sei jedoch gewesen, Trainingsdaten zu bekommen, um die KI zu füttern. Carina Rotkegel erklärt: Wenn eine KI beispielsweise Kurzgeschichten schreiben soll, braucht sie dafür Lernmaterial, also Kurzgeschichten auf deutsch.
Gute Daten kosten Geld
Das Problem: Diese Kurzgeschichten sind urheberrechtlich geschützt. Um die Daten zu kaufen, braucht es daher Geld. Hat man das nicht (ausreichend) zur Verfügung, kann man auf Daten, also in dem Fall Kurzgeschichten, zurückgreifen, für die das Urheberrecht nicht mehr gilt. Das ist in Deutschland siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers der Fall. Dann aber würde das Sprachmodell mit sehr alten Daten gefüttert und im Zweifel Kurzgeschichten im Stil von Thomas Mann ausspucken.
Zusammengefasst heißt das: Die KI ist umso besser, je besser und aktueller die Daten sind, mit denen sie gefüttert wurde. Und gute Daten kosten Geld.
Geld verspricht nun auch die EU. Auf dem KI-Gipfel in Paris (10.-11.2.2025) hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 200 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Geldern versprochen. Und sie verspricht noch etwas: eine "trustworthy AI", also eine KI, die vertrauenswürdig sein soll.
Infrastruktur, Lieferketten, Nischen: "Hidden Champion" EU
Johannes Klingebiel ist Research & Design Manager beim Medienlab Bayern, das auch KI-Start-ups fördert. Für ihn steht fest: Wenn es um die großen, prominenten Sprachmodelle geht, wurde die EU bereits abgehängt. Trotzdem sei es auch nicht so, dass in Europa in Sachen KI gar nichts passiert. Das betreffe jedoch die weniger sichtbaren Ebenen wie Infrastruktur, Lieferketten und Nischenbereiche. Die EU bezeichnet er daher als "Hidden Champion".
"Wenn das Ziel ist, große Unternehmen hochzuzüchten, dann ist Regulierung schlecht. Wenn ich aber darüber nachdenke, welche Rolle diese Systeme in unserer Gesellschaft haben wollen, brauche ich Regulierung."
Womit die EU und Deutschland glänzen, sind Regularien – auch in Bezug auf KI. Und das sei tatsächlich gut so, sagt Johannes Klingebiel. Aus wirtschaftlicher Perspektive und um Unternehmen groß zu machen, wie es derzeit in den USA geschehe, seien Regularien natürlich hinderlich. Doch wenn es darum geht, wie ein System eingesetzt wird, seien Fragen von Datenschutz und Privatsphäre relevant.
Regularien: hinderlich, aber relevant
"Wenn ich ein KI-System zum Beispiel Entscheidungen darüber treffen lasse, welche Patienten medizinische Versorgung bekommen, muss es da eine Regulierung geben, damit niemand sagen kann: 'Die Entscheidung hat ein Computer getroffen. Dafür kann ich nichts'", erklärt Johannes Klingebiel.
"Wir müssen KI wie jede andere Innovation auch behandeln: Es muss dafür ein paar Schranken geben, weil ansonsten Schindluder damit getrieben werden kann."
Auch Carina Rotkegel ist überzeugt, dass es eine rechtliche Rahmung für KI braucht. Vielleicht könnte das sogar ein Alleinstellungsmerkmal der EU sein, sagt sie: "Ich glaube schon, dass es einen Bereich im Markt gibt, der Prestige zu verlieren hat und auf Modelle setzen würde, die mit dem EU-AI-Act konform gehen."
Der breite Markt hingegen, der sich an die Endkund*innen richtet, werde nicht nach Urheberrechten fragen, glaubt sie. Denn wen interessieren die, wenn es darum geht, sich von einer KI einen Text für eine Geburtstagskarte schreiben zu lassen?
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de