Die koloniale Geschichte von Museumsobjekten ist kompliziert. Wiebke Ahrndt hat gerade einen Leitfaden zum Thema überarbeitet. Sie erklärt, was sich Museumsleute bei Bronzen aus Nigeria und Korsettgürteln aus Namibia fragen sollten.

Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln: soweit der schöne klassische Arbeitsauftrag von Museen. Seit einigen Jahren von Museumsseite neu mit dabei: die gesammelten Objekte auf einen möglichen kolonialen Kontext hin untersuchen und gegebenenfalls die Rückgabe anleiern.

Missionarinnen und Missionare, Siedelnde, Kolonialbeamten und Militärs haben manches gesammelt oder erworben, aber eben auch mit Gewalt geraubt. Der Deutscher Museumsbund veröffentlicht seit 2018 einen Leitfaden zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes für Museen. Etwa seit den 70er-Jahren gibt es Rückgabebitten dekolonisierte Staaten.

Koloniale Zusammenhänge erschließen

Wiebke Ahrndt hat die Arbeit an diesem Leitfaden organisiert, gerade ist die dritte Fassung erschienen. Expertinnen und Experten aus den Herkunftsgesellschaften haben dabei geholfen. Wiebke Ahrndt betont die besondere Komplexität der Fragestellung.

"Es sind sehr heterogene Sammlungsbestände. Sie kommen aus mehreren Jahrhunderten, sie kommen aus der ganzen Welt, und da tat tatsächlich Beratung Not."
Wiebke Ahrndt, leitet das Übersee-Museum Bremen

Wiebke Ahrndt ist Leiterin des Übersee-Museums Bremen. Gesammelt werden dort ethnografische und naturwissenschaftliche Objekte. Auch wenn sich der Leitfaden insbesondere an ethnografische Sammlungen richte, befänden sich in fast allen Museen in Deutschland Dinge, die aus kolonialen Zusammenhängen kommen.

"Es gibt Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in fast allen deutschen Museen."
Wiebke Ahrndt, leitet das Übersee-Museum Bremen

Der Leitfaden soll Museen dabei unterstützen, sich und der Öffentlichkeit diese kolonialen Zusammenhänge der Dinge in ihren Sammlungen zu erschließen. Er richtet sich auch an Mitarbeitende von Sammlungen an Universitäten. Verantwortlichen in Museen soll mittels des Leitfadens bewusst werden, dass die Objekte aus kolonialen Zusammenhängen nie als Museumsobjekte entstanden sind oder hergestellt wurden.

Fragen zur Geschichte der Sammlungen

Wiebke Ahrndt sagt, der Leitfaden helfe auch beim Umgang mit Objekten, die nicht aus den außereuropäischen Ländern kommen. Er thematisiert auch Sammlungsgut, mit dem beispielsweise Kolonien erschlossen wurden. Dazu gehören auch Uniformen oder Waffen, Flaggen oder technische Gerätschaften.

Der Leitfaden soll auf verschiedenste Fragen seitens der Museen Wege zu möglichen Antworten skizzieren. Wiebke Ahrndt nennt beispielsweise:

  • Wie gehe ich denn eigentlich adäquat mit Sammlungsgut um?
  • Wie und wem sollte es gezeigt und wie sollte es gelagert werden?
  • Welche genaue Herkunft hat das Objekt?
  • Wie sollte die Vermittlungsarbeit in den Museen aussehen?

Besonders komplex seien die Fragestellungen rund um das Thema Rückgabe. Dazu gehören beispielsweise, ob die Gesellschaft, aus der das Objekt kommt, es zurückhaben möchte und welche Wünsche sich mit der Rückgabe verbinden.

"Ob zurückgegeben wird, hängt dann von der Herkunftsgesellschaft ab, ob sie es denn zurück möchte."
Wiebke Ahrndt, leitet das Übersee-Museum Bremen

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Shownotes
Ethnologin Wiebke Ahrndt
"Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in fast allen deutschen Museen"
vom 23. Februar 2021
Moderator: 
Paulus Müller
Gesprächspartnerin: 
Wiebke Ahrndt, leitet das Übersee-Museum Bremen