Euer Smartphone macht euch zu Emotionskrüppeln - und dafür reicht schon, wenn es bei einem Gespräch auf dem Tisch liegt.
Es ist ein Text, der gerade viel im Netz geteilt wird - "Stop Googling. Let’s Talk" aus der New York Times. Geschrieben hat ihn die amerikanische Soziologin und Professorin für Science, Technology and Society am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Sherry Turkle. Seit Jahren erforscht sie die psychologischen Folgen unseres Online-Lebens. Sie will wissen, was das mit uns macht, wenn wir unser Smartphone immer dabeihaben und welche Folgen das für unsere Kommunikation von Angesicht zu Angesicht hat.
Smartphones verändern, wer wir sind
Turkles These: "Unsere Telefone sind nicht nur Accessoires, sondern psychologisch wirkmächtige Apparate, die nicht nur verändern, was wir tun, sondern auch, wer wir sind." In ihrem Essay berichtet Sherry Turkle über Interviews, die sie für ihre Studien mit College-Studenten gemacht hat. Und die haben ihr die Dreierregel erklärt: Wenn fünf oder sechs Studenten zusammen essen, hat jeder darauf zu achten, dass mindestens drei ihren Kopf oben haben und sich auf das Gespräch konzentrieren, bevor man sich mit seinem Smartphone beschäftigen darf. Und dabei fällt auf: Es haben immer drei unterschiedliche Studenten ihren Kopf oben, während die anderen auf ihre Smartphones schauen.
Die Folge: Die gesamte Unterhaltung bleibt relativ seicht, weil sich Leute entweder beteiligen oder mitten im Gespräch aussteigen. Der Vorteil dieser Art zu reden: Es ist immer etwas los und wen das Gespräch nicht interessiert, kann etwas googeln oder seine Mails checken. Nicht jeder ist von dieser Entwicklung begeistert. Eine 15-Jährige hat Sherry Turkle zum Beispiel von ihrem Vater erzählt, der mitten im Gespräch ständig nach Fakten googelt, um seine Argumente zu unterfüttern.
"Stop Googling. I want to talk to you."
Turkle zitiert Studien, die herausgefunden haben: Wenn sich zwei Leute ein Gespräch führen, reicht schon ein Smartphone auf dem Tisch, um die Art und Intensität, in der sie sich unterhalten, zu verändern. Und dadurch ändert sich eben auch der Grad der Verbundenheit, den man empfindet. Gesprächsteilnehmer reden also nur über Dinge, bei denen es egal ist, wenn sie unterbrochen werden.
"Even a silent phone disconnects us."
Andere Studien zeigen: Teenies, die viel an ihren Smartphones rumspielen, verlernen die Fähigkeit, Emotionen und Gesten ihres Gegenübers zu deuten. Die Folge: Sie verstehen schon ganz normale soziale Situationen nicht mehr und klinken sich mehr und mehr aus. Die gute Nachricht: Der Verlust dieser Fähigkeiten ist nicht permanent, denn andere Studien zeigen, dass man das alles auch wieder lernen kann.
Turkle erwähnt in diesem Zusammenhang eine Studie der Psychologin Yalda T. Uhls, die sich 2014 ein gerätefreies Kinder-Ferienlager genauer angesehen hat. Schon nach fünf Tagen seien die Kinder wieder in der Lage gewesen, Gesichtsemotionen richtig zu deuten. Einfach, indem sie miteinander geredet haben. Dank Konversation haben sie wieder gelernt, sich in andere hinzuversetzen.
Die Welt ist keine App
Eine ganz wichtige Fähigkeit, wie eine Meta-Studie der Psychologin Sara Konrath von der University of Michigan veranschaulicht. Unter College-Studenten hat demnach die Fähigkeit, Empathie zu empfinden um 40 Prozent abgenommen - vor allem seit dem Jahr 2000. Was nicht heißt, dass es heute keine empathischen Gespräche mehr gibt - aber oft kommen sie nicht mehr zustande, weil unsere Smartphones im Weg sind. Zwei andere Psychologen, Howard Gardner und Katie Davis, sprechen in diesem Zusammenhang von der App-Generation. Sie neige zu Ungeduld und erwarte, dass die Welt genau wie eine App schnell und auf Knopfdruck reagiere.
Was bleibt zu tun? Turkle schlägt vor, das Telefon nicht immer mitzuschleppen oder in der Tasche zu lassen. Dann gilt: Nur einmal pro Stunde aufs Display schauen. Ein weiterer Trick: Schafft zu Hause Device-freie Zonen, zum Beispiel im Schlafzimmer. Und dann müssen wir das persönliche Gespräch zurückerobern. Denn im Gegensatz zur algorithmischen Sicht auf die Welt, lernen wir mit Veränderungen und Zufällen umzugehen und persönlich zu wachsen - einfach, indem wir den Mund aufmachen.