Er kann bis zu zweieinhalb Meter lang werden und bis zu 250 Kilogramm schwer: Wieso Giraffenhälse so gebaut sind, weiß die Wissenschaft bis heute nicht. Dafür gibt es aber umso mehr Theorien, die der Biologe Mario Ludwig im Gespräch zusammenfasst.

Ein langer Hals ist nicht unbedingt praktisch: Zum Schlafen legen sich die Giraffen nur ganz selten hin. Den erholsamen Tiefschlaf gönnen sie sich meist nur für wenige Minuten, denn wenn sich eine Giraffe mit dem langen Hals erst mal hingelegt hat, ist es sehr schwer für sie, wieder auf die Beine zu kommen. Dadurch wäre sie Fressfeinden ziemlich schutzlos ausgeliefert. Daher dösen Giraffen meistens im Stehen.

"Eine neuere Theorie besagt, dass ein besonders langer Hals den Giraffenbullen dabei hilft, ihre Gene durchzusetzen."
Mario Ludwig, Biologe

Vor allem weil der lange Giraffenhals auch Nachteile hat, versuchen Forschende mithilfe verschiedener Theorien eine Antwort darauf zu finden, weshalb er sich im Laufe der Evolution durchgesetzt hat.

Einer der bekanntesten Erklärungsversuche stammt von dem britischen Naturforscher Charles Darwin. Wenn eine Giraffe, dank einer zufälligen Mutation – also der zufälligen Veränderung ihres Erbgutes – einen längeren Hals hatte, konnte sie leichter an Nahrung kommen. Sie konnte Blätter, die hoch oben in den Bäumen hingen, besser erreichen als eine Giraffe mit einem kürzeren Hals. Ein Vorteil, der sich dann mit der Zeit durchgesetzt hat.

Giraffenbullen schlagen ihre Hälse aneinander

Eine neuere Theorie besagt, dass ein besonders langer Hals den Giraffenbullen dabei hilft, ihre Gene durchzusetzen. Giraffenbullen kämpfen um das Vorrecht, sich mit einer Giraffendame zu paaren. Das tun sie, indem sie ihre Hälse gegeneinanderschlagen. In der Fachsprache heißt dieses Verhalten "necking“.

Diesen Zweikampf gewinnt meist derjenige Giraffenbulle, der einen längeren Hals hat. Damit hat er eher die Möglichkeit, seine Gene weiterzugeben. Nach dieser Theorie geht der lange Hals der Giraffen also auf eine sexuelle Selektion zurück.

Theorie: Langer Giraffenhals schützt vor Überhitzung

Betrachten wir eine eine Giraffe von vorne, dann stellen wir fest, dass ihre Kontur lang und schmal ist. Das heißt, wenn eine Giraffe sich frontal der Sonne zuwendet, ist nur eine geringe Körperfläche der Sonneneinstrahlung und damit der Hitze ausgesetzt. Sie bekommt weniger Sonne ab, als wenn sie seitlich stünde. Ihr langer Hals und die langen Beine könnten der Giraffe also den evolutionären Vorteil verschafft haben, dass sie ihre Körpertemperatur besser regulieren kann.

Giraffenhals-Funfacts

  • Obwohl ein Giraffenhals extrem lang und schwer ist, hat eine Giraffe auch nur sieben Halswirbel – genauso wie wir Menschen und andere Säugetiere
  • Giraffenhalswirbel sind dafür aber extrem groß – Biologe Mario Ludwig vergleicht sie mit einem Aktenordner
  • Der Blutdruck einer Giraffe ist mit circa 280 zu 180 doppelt so hoch wie bei uns Menschen. Dadurch wird es erst möglich, dass das Blut über den langen Hals ins Hirn gelangt.
  • Das Herz der Giraffe ist sehr leistungsstark. Es wiegt circa 13 Kilogramm und pumpt bis zu 60 Liter Blut pro Minute
  • Damit Giraffen sich zum Wassertrinken herunterbeugen können, ohne das ihnen schwindlig wird, haben sie ein sogenanntes Wundernetz unterhalb des Gehirns. Das ist ein Netzwerk aus fein verzweigten Kopfarterien, das das anströmende Blut wie ein Schwamm aufnimmt und ins Gehirn weiterleitet, wenn der starke Druck wieder weg ist.
Shownotes
Evolution
Das Rätsel um den Giraffenhals
vom 17. Februar 2021
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Mario Ludwig, Biologe