Ohne Sauerstoff könnten die meisten Lebewesen nicht überleben. Forschende haben untersucht, wann Urzellen damit begonnen haben, dieses Element als Lebensgrundlage zu nutzen. Dabei konnten sie einen Irrtum aufklären.
Bisher gingen Forschende davon aus, dass vor rund 3,8 Milliarden Jahren – als das Leben auf der Erde seinen Anfang nahm – die Sauerstoffkonzentration in der Erdatmosphäre so gering gewesen sein soll, dass kein Organismus seinen Stoffwechsel damit hätte aufrechterhalten können.
Das führte zu der Annahme, dass die ersten Lebensformen ihre Energie vor allem aus den chemischen Verbindungen Ammoniak, Wasserstoff und Kohlendioxid gewonnen haben müssen. Diese ersten Zellen sollen demzufolge also anaerob gewesen sein, das heißt, zum Überleben weder weder Licht noch Luft benötigt haben.
Eine aktuelle britische Studie hat nun Hinweise darauf gefunden, dass diese Annahme wohl ein Irrtum war. In früheren Studien ist wohl eine wichtige Sauerstoffquelle übersehen worden, die von den ersten Zellen wahrscheinlich auch genutzt wurde.
LUCA: Frühester gemeinsamer Urahn konnte Sauerstoff verwerten
Schon in den früheren Studien hatte man versucht, die Frage zu beantworten, ab welchem Zeitpunkt Urzellen damit anfangen, Sauerstoff zu verwerten. Dafür wurde der letzte gemeinsame Urvorfahre rekonstruiert: LUCA (Last Universal Common Ancestor). LUCA gilt als die letzte gemeinsame Stammform aller heutiger zellulärer Organismenarten.
Diese Urzelle soll bereits die genetische Anlage dazu gehabt haben, Sauerstoff und Wasserstoffperoxid umzuwandeln. Das galt in der Wissenschaft lange als ein evolutionäres Paradox, den laut der damaligen Annahme standen LUCA gar keine Sauerstoffquellen zur Verfügung.
Fähigkeit, Sauerstoff zu verstoffwechseln, ist wohl älter als bisher angenommen
Eine Fähigkeit zu haben, die sich nicht anwenden lässt, ergab evolutionär betrachtet wenig Sinn. Bis zur Veröffentlichung der besagten britischen Studie, die stellte heraus, dass die bisherigen Annahmen falsch waren: Zur Zeit von LUCA konnten wohl doch große Mengen von Sauerstoff entstehen.
Und zwar dort, wo das erste Leben auf der Erde mit großer Wahrscheinlichkeit entstanden ist, nämlich unter Wasser, am Boden der Ozeane. Genauer: An tektonisch aktiven Stellen, wo Erdplatten aufeinander treffen oder auseinander driften. Hier entstehen besonders hohe Temperaturen.
"Die Forschenden aus Großbritannien sagen jetzt 'nein, das war kein Fehler, sondern wir haben eine Sauerstoff-Quelle übersehen'."
Bei ihren Untersuchungen haben die Forschenden Laborexperimente mit Silikatgestein durchgeführt. So konnten sie Prozesse rekonstruieren, die sonst am Boden des Ozeans vorkommen. Diese Prozesse zeigen, was mit dem Gestein dort passiert, wenn es mit heißem Wasser zermahlen wird.
Wichtige Sauerstoff-Quelle nicht als solche identifiziert
Das Ergebnis: Ab einer Temperatur von etwa 80 Grad entstehen recht große Mengen Wasserstoffperoxid. Dieser Stoff, den wir heute beispielsweise nutzen, um Haare zu blondieren, kann durch chemische Reaktionen schnell zu Wasser und Sauerstoff aufgespaltet werden.
"Forschende hatten in früheren Arbeiten diesen Aspekt wohl übersehen oder für nicht so wichtig gehalten."
Das hatte man in bisherigen Studien übersehen, da die Experimente bei Raumtemperatur durchgeführt wurden - keine Umstände, die den Grund des Ozeans widerspiegeln. Denn die Hitze, die teils mit über 100 Grad Celsius auch an tektonisch aktiven Stellen im Ozean herrscht, macht den entscheidenden Unterschied.
Die Mengen an Sauerstoff, die dabei entstehen können, sind so groß, dass man davon ausgehen kann, dass die ersten Lebensformen mit ihnen umgehen konnten. Denn sowohl Sauerstoff als auch Wasserstoffperoxid sind ziemlich aggressiv: Sie reagieren relativ schnell mit ihrer Umgebung.
Für die ersten Bakterien, die existiert haben, muss es hilfreich gewesen sein, solche aggressiven chemischen Reaktionen steuern und irgendwann sogar auch nutzen zu können. Demzufolge geht die Wissenschaft nun davon aus, dass die Fähigkeit Sauerstoff zu verstoffwechseln viel älter ist, als bisher angenommen.