Viele Unternehmen können ausgeschriebene Stellen nicht besetzen. Sie kämpfen mit dem Fachkräftemangel. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Ein Problem sei die fehlende Begeisterung für in Zukunft benötigte Berufe bei der Berufsorientierung.
Während es an Hochschulen eine Abbruchquote von fast einem Drittel gibt, finden viele junge Menschen Ausbildungen offenbar unattraktiv. Der Fachkräftemangel breite sich immer weiter aus, sagt Alexander Burstedde vom Institut der deutschen Wirtschaft. Dazu hat die Bertelsmann-Stiftung die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht.
"Es gibt Schwerpunkte, in denen sich der Fachkräftemangel immer weiter ausbreitet. Grundsätzlich kann man sagen, dass Arbeitskräfte in technischen Berufen und im Gesundheits- und Sozialwesen fehlen", sagt Burstedde.
Der Experte für Arbeitskräfte nennt diese Bereiche "die großen Brennpunkte", in denen offene Stellen häufig nicht besetzt werden könnten. Dass der Fachkräftemangel in Ausbildungsberufen mit niedrigeren Löhnen zu tun habe, möchte Alexander Burstedde vom Institut der deutschen Wirtschaft nicht bestätigen. Er verweist auf eine Untersuchung seines Instituts zum Zusammenhang von Löhnen und Arbeit.
Zahl von Menschen mit abgeschlossener Ausbildung wird sinken
"Löhne und Fachkräftemangel haben nicht viel miteinander zu tun. Ein wesentlicher Faktor ist, dass Leute studieren wollen", erklärt Alexander Burstedde. Der Mitarbeiter des Instituts der deutschen Wirtschaft prognostiziert für das Jahr 2040, dass es ungefähr ein Viertel weniger Menschen mit Ausbildung am Arbeitsmarkt gibt. Experte Alexander Burstedde erläutert die Auswirkungen des möglichen Zukunftsszenarios an einem Beispiel.
"Stellen Sie sich eine Firma vor, in der vier Leute arbeiten, die eine Ausbildung gemacht haben. Wenn einer weg ist, müssen sie trotzdem ihre Arbeit machen. Das ist das Problem, dass wir in der Zukunft haben werden."
Dieses Problem gebe es jetzt schon, sagt Alexander Burstedde. "Doch in Zukunft wird es noch schlimmer", erklärt der Experte für Arbeitskräfte. Die Berufsorientierung begeistere zu wenig für Berufe, die auch in Zukunft gebraucht würden, erläutert Burstedde.
Nicht irgendetwas studieren
Jedoch weist er darauf hin, die Gründe des Fachkräftemangels differenziert zu betrachten. Man sollte nicht irgendetwas studieren, erklärt Experte Alexander Burstedde. "Wenn Sie zum Beispiel irgendetwas studieren, zum Beispiel Chemie. Dann wundern Sie sich nach dem Studium, dass sie ohne Doktor vielleicht gar keine Stelle kriegen. Selbst mit Doktor ist es schwer."
"Wenn Sie eine Ausbildung als Chemikant machen, werden Sie mit Kusshand genommen und verdienen nach dem Abschluss direkt vier Mille brutto mit 19 Jahren."
Alexander Burstedde vermutet, dass Ausbildungsberufe ein Wahrnehmungsproblem hätten. Der Experte sagt, dass sich zu wenig Mädchen für technische Berufe entscheiden würden. Deswegen sollte seiner Meinung nach in der Berufsorientierung mehr ausprobiert werden. "Woher soll ein junges Mädchen wissen, wie toll es ist, einen Metallblock zu fräsen, wenn es das noch nicht gemacht hat?“, fragt Alexander Burstedde.
Stückwerk in Schulen
Die bisherigen Initiativen von Schulen zur Berufsorientierung bezeichnet Alexander Burstedde als nicht optimal. "Die Initiativen von Schulen zur Berufsorientierung sind Stückwerk. Natürlich gibt es auch tolle Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft. Aber es gibt viele Gegenden in Deutschland, wo das nicht so gut funktioniert. Es wäre gut, wenn wir da Mindeststandards hätten", so Burstedde.
Um aktuelle Kooperationen zu verbessern, müssten mehrere Kräfte zusammenarbeiten. Die Schulen sollten sich mit der umliegenden Wirtschaft vernetzen. Die wissen, was sie brauchen, sagt Alexander Burstedde. "Es sollte dann ein strukturiertes Pflichtformat geben, in dem jeder drei Berufe ausprobiert", schlägt der Experte für Arbeitskräfte vor. Alexander Burstedde betont, dass man immer vor Ort schauen müsse, was sinnvoll ist.
Alexander Burstedde fände es gut, wenn eine Auszubildende aus einem technischen Beruf wie Mechatronik in Schulen geht und für ihren Beruf wirbt.