Frankreich sammelt Zigarettenstummel in Flaschen und postet das Ergebnis auf Social Media. Was ist dran an der #FillTheBottle-Challenge? Wir haben bei der Philosophin Rita Molzberger nachgefragt.
Paris soll sauberer werden, deswegen läuft derzeit im Netz eine Challenge, die Einwohner zum Aufräumen animieren soll. Unter #FillTheBottle sammeln User Zigarettenstummel, füllen sie in eine Plastikflasche und posten das Bild in den sozialen Netzwerken.
Mittlerweile treffen sie sich zum Flaschenbefüllen zum Beispiel direkt unterm Eiffelturm. Aber auch in den Banlieues, am Stadtrand, wird es sauberer. Hier nominieren sich Jugendliche und ihre Bezirke gegenseitig und treffen sich, zum Müll sammeln.
Immer wieder komme es vor, dass durch Gruppendynamik Aktionen entstehen, sagt die Philosophin Rita Molzberger. Dabei würde zum Beispiel der Philosoph Rousseau über den Trend, den die Franzosen angestoßen haben, die Nase rümpfen. Tendenzen von Vergesellschaftung würde er die #FillTheBottle-Challenge nennen. Und die seien nicht unbedingt wünschenswert. Lebten wir noch im Naturzustand, würden solche Dinge jede und jeder von uns selbst erledigen. Weil wir dort über Selbstliebe und Mitleid verfügten und uns perfektionieren könnten.
Wir brauchen den Gruppenzusammenhang
In der Zivilisation, unter den Bedingungen der Vergesellschaftung, sieht das nach Rousseau anders aus, erklärt Rita Molzberger. Hier brauchten wir den Gruppenzusammenhang, um Moral, Sitte und Gesetz durchzusetzen, weil wir es nicht mehr natürlicherweise machen. Die #FillTheBottle-Challenge könnte also ein differenziertes Geschehen seien, um Formen der Anerkennung zu leben, die wir alleine nicht leben können, sagt die Philosophin.
Anerkennung via Social Media
Dass solche Challenges besonders gut funktionieren, wenn wir dafür Likes in Sozialen Netzwerken abgreifen können, hat vielleicht damit zu tun, dass in unserer Gesellschaft Anerkennung rar ist. Weil das ein komplizierter Prozess ist.
Anerkennung heißt: Der andere bestätigt mich, ich bin also sehr beim anderen. Ich grenze mich aber gleichzeitig von ihm ab. Weil ich zeige, wie viele Zigarettenstummel in meiner Flasche sind. Ein Paradox, das durch ein sehr kompliziertes Beziehungeschehen überwunden werden muss. Und das werde bei der #FillTheBottle-Challenge offensichtlich versucht, digital zu leben, erklärt Rita Molzberger.
"Es könnte ja sein, das mich dieses Beziehungsgeschehen, selbst wenn es digital läuft, dazu bringt, auch alleine eine andere Haltung zu entwickeln."
Gutes tun, weil es dafür Likes gibt – das muss nicht unbedingt schlecht sein. Denn es könnte ja sein, dass uns dieses Beziehungsgeschehen dazu bringt, auch alleine eine andere Haltung zu entwickeln, sagt Rita Molzberger. Außerdem könne niemand mit Bestimmtheit sagen, was zuerst da war: Mein autonomes Handeln und in der Folge Anerkennung der anderen oder erst die Anerkennung, die mein Handeln auslöst. Im besten Fall gebe es sich die Hand, im schlechtesten Fall sei es sehr viel Echo und wenig Resonanz, was da passiert.
Fazit: So oder so - Müll sammeln ist gut
Ein kleines Fazit: Wir können erst einmal froh über die #FillTheBottle-Challenge sein, ermutigt uns Rita Molzberger. Ob es besser wäre, Menschen würden auch ohne große Aufmerksamkeit und ohne es mit der Smartphonekamera festzuhalten, Müll aufheben oder ob wir einfach akzeptieren, dass das eben eine eigene Form zu leben ist – am besten entscheidet das jede und jeder von uns für sich selbst.
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