Einige Hundert geflüchtete Kinder könnten innerhalb der EU verteilt werden – von einer sogenannten Koalition der Willigen. Für den Politiker Erik Marquardt (Bündnis 90 / Die Grünen) kann das nur ein erster Schritt sein.

Der Koalitionsausschuss hat beschlossen, Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage von etwa 1000 bis 1500 Kindern auf den griechischen Inseln zu unterstützen. Kindern, die schwer erkrankt oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, soll geholfen werden. Auf europäischer Ebene versucht die Bundesregierung derzeit mit einer sogenannten "Koalition der Willigen", die Übernahme dieser Kinder zu organisieren. Frankreich hat bereits signalisiert, ebenfalls einen Teil der Kinder zu übernehmen. Über die Verteilung von Geflüchteten innerhalb Europas streiten die Mitgliedsstaaten seit Jahren.

Wunsch nach Rückkehr

Erik Marquardt sitzt für Bündnis 90 / Die Grünen im Europaparlament und kennt die Situation auf Lesbos aus eigener Anschauung. Er hält sich selbst seit rund zwei Wochen auf der griechischen Insel auf (Stand 09.03.2020). Dort ist insbesondere das Flüchtlingslager Moria in den vergangenen Jahren zu einem Symbol für die Not und das Leid der Geflüchteten geworden.

"Sie wollen sicherlich jetzt in Sicherheit sein, humanitär versorgt werden. Aber wenn die Situation sich beruhigt hat, wollen viele sicherlich nach Hause."
Erik Marquardt, Abgeordneter im Europäischen Parlament, Bündnis 90 / Die Grünen

Er geht fest davon aus, dass viele Geflüchtete nur kurzzeitig ausreisen wollen, bis sich die humanitäre Situation in Syrien verbessert hat.

"Es ist richtig, dass jetzt einige Staaten Verantwortung übernehmen. Sie müssen aber nach dem ersten Schritt, Kinder hier rausholen, auch noch andere Antworten finden."
Erik Marquardt, Abgeordneter im Europäischen Parlament, Bündnis 90 / Die Grünen

Erik Marquardt erinnert daran, dass die Inselbevölkerung von Lesbos in den vergangenen Jahren alleingelassen wurde. Wenige würden sich nun radikalisieren. Er weist auch darauf hin, dass aus Europa in den vergangenen Tagen Rechtsextreme angereist sind.

Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte

Das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei bedürfe der Überarbeitung, sagt der Europaparlamentarier, und zwar dergestalt, dass Recep Tayyip Erdoğan wirklich Nutzen daraus ziehe – ganz abgesehen von dem Erpressungspotenzial.

Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sind für Erik Marquardt wesentliche Erkenntnisse eines – so wörtlich – ziemlich schrecklichen 20. Jahrhunderts in Europa. Er fordert, diese Prinzipien auch an der EU-Außengrenze zu achten.

Deswegen lehnt er es auch ab, die europäischen Außengrenzen gefährlicher zu gestalten, als die Bürgerkriege vor denen nun Menschen fliehen.

"Wenn wir jetzt davon reden, dass die Achtung der Menschenrechte, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu einem vollkommenen Kontrollverlust führen würden. Was ist denn das für ein Signal?"
Erik Marquardt, Abgeordneter im Europäischen Parlament, Bündnis 90 / Die Grünen

In einem zweiten Gespräch haben wir mit unserer Korrespondentin in Berlin über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und der EU gesprochen. (Das Gespräch könnt ihr hier anhören.) Gudula Geuther weist darauf hin, dass momentan nach Unicef-Schätzungen rund 5300 geflüchtete Kinder ohne Begleitung in Griechenland leben – insgesamt sind es demnach rund 40.000.

Gudula Geuther, Korrespondentin im Hauptstadtstudio in Berlin
"Die Hilfsorganisation World Vision hat mitgeteilt: Mehr als 14.000 Kinder harrten derzeit auf den griechischen Inseln aus."
Shownotes
MdEP über Flüchtlingspolitik
Erik Marquardt zu Koalition der Willigen: "Gutes Zeichen, aber es reicht nicht."
vom 09. März 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Erik Marquardt, Abgeordneter im Europäischen Parlament, Bündnis 90 / Die Grünen