Wahnwitzige Leichenschänder, superintelligente Serienmörder und kultivierte Kannibalen wie Hannibal Lecter werden uns in Hollywood-Filmen präsentiert. Doch wie viel haben diese Filmfiguren mit der Wirklichkeit zu tun? Das haben sich belgische Psychiater gefragt und zahlreiche Film-Psychopathen analysiert.
Der forensische Psychiater Samuel Leistedt aus Brüssel wollte wissen, wie wirklichkeitsgetreu Psychopathen in Kinofilmen dargestellt werden. Dafür hat er sich mit einem Kollegen und einem Team aus Studenten 400 Spielfilme angesehen, die zwischen 1915 und 2010 produziert wurden, und 105 männliche und 21 weibliche Psychopathen analysiert.
"Die meisten Psychopathen im Film sind unrealistisch. Sie sind einfach übertrieben. Sie sind zu stark, zu clever, sie sind nicht menschlich."
Ziel der Untersuchung ist es, für Studenten Analysemethoden zu entwickeln und die Wahrnehmung und Beurteilung von Psychopathen in Verlauf des 20. Jahrhunderts kennnezulernen. Lange wurde in der Medizin darüber gestritten, welches Verhalten für Psychopathen charakteristisch ist. Ob sich etwa ihre Gehirnaktivitäten von der gesunder Menschen unterscheiden und ob dies genetisch bedingt ist. Die Film-Psychopathen veränderten sich in der Filmgeschichte entlang dieser medizinischen Debatte.
Wenig realistisch
Samuel Leistedt kommt zu dem Schluss, dass die modernen Film-Psychopathen zwar realistischer seien, als vor Jahrzehnten. Aber wirklichkeitsnahe Psychopathen seien immer noch in der Minderheit. Für komplett wirklichkeitsfern hält Samuel Leistedt die Figur des Hannibal Lecter:
"Ich habe in meiner Arbeit noch nie so einen Psychopathen getroffen und meine Kollegen auch nicht. Er ist schlau, er ist ein brillanter Psychoanalytiker, ein ausgezeichneter Koch und Musiker – und er kann aus jedem Gefängnis ausbrechen. Das ist einfach zu viel, das ist nicht die Wirklichkeit."
Für überzeugend dagegen hält Samuel Leistedt die Kaltblütigkeit eines Anton Chigurh aus dem Film "No Country for Old Man". Dass heute Film-Psychopathen realistischer seien, läge am fortschreitenden Wissen über die Krankheitsbilder.