Im neuen Internet Freedom Report liegt Island erneut auf Platz eins, Deutschland auf Platz vier - und China auf dem letzten Platz. Die USA wurden erneut herabgestuft.

Die amerikanische Nichtregierungsorganisation (NGO) Freedom House hat den neuen "Freedom on the net Report" veröffentlicht. Darin wurde der Zustand der Freiheit im Netz in 65 Staaten untersucht in denen zusammen 87 Prozent der Internetnutzer leben. Wie in den Vorjahren liegt Island auf Platz eins, gefolgt von Estland, Kanada und Deutschland. Besonders schlecht sieht es hingegen in Syrien, dem Iran und China aus. China liegt bereits im vierten Jahr in Folge auf dem letzten Platz. Dort wurden wegen der Proteste in Hongkong und dem 30. Jahrestag des Massakers auf dem Tian'anmen-Platz die Überwachung noch mal verschärft.

Die USA wurden zum dritten Mal in Folge herabgestuft und liegt jetzt auf Platz sieben. Der Grund dafür liegt unter anderem in einer Verschärfung der Internet-Überwachung durch die Trump-Regierung. Hinzu kommen Handydurchsuchungen an den Grenzen ohne Durchsuchungsbefehle und das Abschaffen der Netzneutralität. Als besonders gravierend aber bewertet Freedom House die Verbreitung von Falschinformationen. Akteure aus dem In- und Ausland hätten Inhalte für politische Zwecke manipuliert, den demokratischen Prozess ausgehöhlt und die Spaltung der US-Bevölkerung vorangetrieben.

"Both domestic and foreign actors manipulated content for political purposes, undermining the democratic process and stoking divisions in American society."

Verbessert hat sich hingegen die Lage in Äthiopien. Dort hat Premierminister Abiy blockierte Webseiten wieder ins Netz gelassen, Notstandsregeln aufgehoben und Gesetze abgeschafft, die die freie Meinungsäußerung behindert haben. Insgesamt kommt der Report aber zu einem eher düsteren Schluss, denn in 33 Ländern hat sich die Lage im vergangenen Jahr verschlechtert. Nur in 16 Ländern hat es Verbesserungen gegeben.

Auf einer Weltkarte werden die Länder farblich nach dem Grad der Internetfreiheit angezeigt.
Die Weltkarte des Freedom on the Internet Report von November 2019

Propaganda statt Zensur

Für die Verschlechterung macht Freedom House vor allem die großen Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. verantwortlich. Der Report sieht in ihnen ein "neues Schlachtfeld" für die Demokratie. Der Präsident von Freedom House, Mike Abramowitz, sagte, viele Regierungen hätten inzwischen herausgefunden, dass in sozialen Netzwerken Propaganda besser funktioniere als Zensur. Regierungen und Parteien hätten im vergangenen Jahr in Dutzenden Ländern, einschließlich der letzten Europawahlen, Fakten verdreht und Meinung gemacht.

"Many governments are finding that on social media, propaganda works better than censorship."

Für den Report hat Freedom House auch Wahlen in 30 Ländern untersucht. In 24 davon wurden Kampagnen beobachtet, bei denen gezielt Informationen verdreht wurden. Dahinter stehen Regierungen, Parteien, bezahlte Kommentatoren, Trolle und Bots, die Propaganda oder klare Falschmeldungen verbreiten. Unter den Ländern, bei denen Freedom House diese Beeinflussung beobachtet hat, waren die USA, Brasilien, Italien, Indien, Australien und Südafrika. In mehreren Ländern hatten sich dabei extremistische Parteien als besser gerüstet erwiesen, um mit diesen Mitteln Einfluss auf Wahlen zu nehmen.

Die Autorinnen und Autoren der Studie vermuten unter anderem, dass rechte Gruppen mehr Erfolg in sozialen Netzwerken haben, weil sich "falsche, schockierende, negative, übertriebene und emotional aufgeladene Inhalte" in sozialen Medien schneller und weiter verbreiten. Nur in Deutschland, Frankreich, Estland und Armenien hätten die Menschen weitestgehend frei von digitaler Wahlbeeinflussung abstimmen können. Freedom House warnt davor, dass sich das Internet zu einem Werkzeug für Tyrannei und Unterdrückung entwickeln könne, wenn es nicht gelänge "Social Media zu reparieren".

Shownotes
Freedom on the net Report
Soziale Netzwerke als "neues Schlachtfeld" für die Demokratie
vom 06. November 2019
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova Netzreporterin