Der russische Präsident Putin hat Friedensgespräche mit der Ukraine selbst vorgeschlagen, nimmt aber nicht teil. Stattdessen schickt er Verhandler, die kaum etwas zu sagen haben. Ein Machtspiel, das auch mit Putins Sicht auf Selenskyj zusammenhängt.
Der russische Präsident selbst hatte das Treffen am 15. Mai in der Türkei nicht nur vorgeschlagen, sondern es sogar zur Bedingung für eine Waffenruhe in der Ukraine gemacht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte offensiv: "Ich werde an diesem Donnerstag, den15. Mai in der Türkei sein und auf Putin persönlich warten."
Aufgetaucht ist Wladimir Putin am Ende nicht. Gespräche sollen zwar stattfinden, allerdings nicht auf präsidialer Ebene. Das wäre auch sehr ungewöhnlich gewesen, ordnet DLF-Osteuropakorrespondentin Sabine Adler ein. "Solche Verhandlungen dauern, man arbeitet sich da Schritt für Schritt durch. Die Präsidenten kommen erst zuallerletzt zusammen."
Friedensverhandlungen passen nicht in russische Propaganda
Doch es gibt noch einen Grund, warum es kaum möglich scheint, dass Putin bereit sein könnte, Selenskyj zu treffen: Er stellt die Legitimität des ukrainischen Präsidenten und die des Landes insgesamt infrage. Und die Medien in Russland tun das ihrige, um Selenskyj zu diffamieren, berichtet Sabine Adler.
"Selenskyj wird als jemand dargestellt, der in keinem Fall auf einer Stufe mit Wladimir Putin steht. Es wird betont, dass er nur Schauspieler, nur Komiker ist."
Elena kennt die Berichterstattung der russischen Medien über Selenskyj und die Ukraine. Sie stammt aus Sibirien, lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Deutschland. Elena und ihre Familie sind gegen den Krieg. Um beide zu schützen, nennen wir hier nur ihren Vornamen.
"Da hört man, dass die Ukraine eigentlich kein richtiges Land ist, dass bestimmte Teile dieses Landes schon immer russisch gewesen sind“, sagt Elena. Außerdem werde der ukrainischen Regierung in russischen Medien abgesprochen, eigene Entscheidungen treffen zu können, weil sie eh vom Westen gesteuert würde. "Wer der Westen ist“, ergänzt Elena, "hängt von der politischen Lage ab. Früher war es vor allem die USA, jetzt ist es hauptsächlich die Europäische Union."
Mehr Druck oder mehr Diplomatie?
Dass Putin die Gespräche in der Türkei platzen ließ, stellen die russischen Medien als Punkt für Putin da, sagt Elena. "Im Grunde genommen wird gesagt, dass Putin auf diese Weise zeigt: Ohne mich geht nichts, die Welt muss sich nach mir richten."
Elena selbst glaubt nicht, dass es zu Friedensverhandlungen kommen wird. Sabine Adler schätzt das ähnlich ein, zumindest was dieses Treffen in der Türkei anbelangt. Das lasse sich daran erkennen, dass Wladimir Medinski die russische Delegation anführt, erklärt die Korrespondentin. "Er war derjenige, der im März 2022 bei den Friedensgesprächen dabei war. Die sind gescheitert. Dafür steht der Name Medinski."
"Diese Gespräche sollen scheitern. Das ist eine Delegation, die überhaupt nichts entscheiden kann.“
Der ukrainische Präsident Selenskyj, der zunächst in die Türkei gereist war, äußert sich zur Absage Putins folgendermaßen: Wenn ein Waffenstillstand erreicht wird, könnten die Gespräche mit Putin geskippt werden. Das klingt, als könnte es doch die Hoffnung auf ernst gemeinte Friedensgespräche geben. Zumindest gehe es in die richtige Richtung, meint auch Korrespondentin Sabine Adler.
"Es sprechen nicht nur die Waffen, es sprechen endlich wieder Politiker. Das ist wirklich ein wichtiger Anfang. Jetzt kann es vielleicht weitergehen, wenn auch nur in kleinen Schritten."
Mögliche erste Schritte wären etwa eine Waffenruhe und deren Kontrolle. Auch ein Gefangenaustausch wäre ein gutes Signal. Und dann wäre langfristig eine Friedenstruppe entlang der bisherigen Frontlinie denkbar.
Elena: russische Wirtschaft als Schwachstelle nutzen
Elena hingegen ist davon überzeugt, dass sich ohne massiven Druck auf Russland nichts bewegen werde. Denn noch gehe es der russischen Wirtschaft zu gut, und die sei bei dem Ganzen der Dreh- und Angelpunkt. "Stand jetzt gibt es für Putin keinen Grund, den Krieg zu beenden", sagt Elena.
Sie glaubt, dass sich das ändern könnte, wenn gar keine Ressourcen oder Brennstoffe mehr aus Russland gekauft würden. "Das könnte Putin zwingen, die volle Invasion zu beenden. Natürlich müsste er alle Gebiete zurückgeben, einschließlich der Krim." Und dann fügt Elena hinzu: "Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das in den nächsten zehn Jahren passieren wird."
Elena erzählt im Podcast auch, wie es für ihre Eltern ist, in Russland zu leben und gegen den Angriffskrieg zu sein. Außerdem berichtet sie, wie ihre Haltung zum Krieg das Verhältnis zu ihren Freund*innen in Russland verändert hat.
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