Trumps Plan: Russland bekommt die Krim – und der Krieg endet. Für die Ukraine ein No-Go. Nach dem Trump-Selenskyj-Treffen könnte sich die Lage ändern. Denis kommt von der Krim und musste fliehen, er lebt mit der Angst, seine Eltern nie wiederzusehen.
Denis Trubetskoy stammt aus Sewastopol – jener Hafenstadt auf der Krim, die vielen als Sonneninsel mit Palmen, Weinbergen und Stränden in Erinnerung ist. Doch für ihn ist sie mehr als ein Urlaubsort. Sie ist Konfliktherd, Symbol einer zerrissenen Identität.
"Es ist tatsächlich eine ganz, ganz große Hassliebe zwischen mir und Sewastopol."
Im Gespräch sagt Denis, dass er seine Stadt liebe – aber auch kaum ertragen könne. Denn Sewastopol ist nicht nur seine Heimat, sondern auch der Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Während er in Kiew unter russischen Raketen lebt, sind seine Eltern in Sewastopol ukrainischen Drohnenangriffen ausgesetzt. Die Stadt sei mehrheitlich prorussisch, erklärt er – und diese Realität schmerze.
Als 2014 russische Truppen die Krim besetzten, war das für ihn eine Zäsur. Zuvor hatte er als junger Sportjournalist über die Fußball-EM 2012 berichtet, er träumte von Europa, von Reisefreiheit, einer offenen Gesellschaft. Doch die Annexion veränderte alles. Menschen aus seinem Umfeld, die eben noch von der EU geschwärmt hatten, sprachen plötzlich von "Nazis in Kiew" – sie übernahmen also die russische Propaganda.
Warum Putin die Krim so wichtig ist
"Putin steckte damals in einem Umfragetief. Der Slogan 'Die Krim ist unser' hat seine Werte schlagartig nach oben getrieben.“
Gesine Dornblüth, die 2014 als Korrespondentin in Moskau arbeitete, sagt, die Annexion sei nicht nur ein geopolitisches, sondern auch ein emotionales Projekt gewesen. Besonders für viele ältere Menschen in Russland und der Ukraine, die die Krim mit Sommer, frischem Obst und unbeschwerten Kindheitsferien in der Sowjetzeit verbinden.
"Putin hat die Krim seit 2014 ideologisch aufgeladen – als angebliches Zentrum der russischen Kultur, als spirituelle Wurzel Russlands."
Diese aufgeladene Symbolik macht die Krim zur Projektionsfläche – nicht nur für nostalgische Gefühle, sondern auch für nationalistische Politik.
"Das geschah mit sogenannten 'grünen Männchen' – Soldaten ohne Hoheitsabzeichen."
Die Einnahme der Halbinsel beschreibt Dornblüth als eine Operation ohne offizielle Kriegserklärung. Das Krim-Parlament wurde besetzt, viele Abgeordnete ausgeschlossen, ein Referendum unter Druck durchgeführt. Aus ihrer Sicht war es keine echte Abstimmung – viele kritische Stimmen waren bereits geflüchtet, viele andere wurden eingeschüchtert.
Für Aktivist*innen, insbesondere für Krimtataren, hatte die Besatzung dramatische Folgen. Sie seien verfolgt, verschleppt oder gefoltert worden, berichtet Dornblüth. Auch prominente Fälle wie der des Filmemachers Oleg Senzow zeigen, wie repressiv das neue Regime gegen Abweichler vorging.
Trump, Selenskyj und die Frage nach einem „Deal“
Elf Jahre nach der Annexion kommt Bewegung in die Debatte – zumindest symbolisch. Bei einem Treffen im Vatikan saßen sich Trump und Selenskyj gegenüber. Im Raum stand Trumps Vorschlag: Die Ukraine solle die Krim an Russland abgeben – als Preis für den Frieden.
Für Denis eine unerträgliche Vorstellung. Er sagt, für ihn sei dieser Gedanke ein Albtraum.
"Warum sollte Russland mit der Anerkennung der Krim belohnt werden?"
Auch Wolodymyr Selenskyj reagierte zurückhaltend auf Trumps Vorschlag. Zwar stimme er zu, dass die Ukraine derzeit nicht über genug Waffen verfüge, um die Krim militärisch zurückzuerobern. Aber er betonte, dass es andere Wege gebe – durch Sanktionen, wirtschaftlichen Druck und internationale Diplomatie.
"Er akzeptiert faktisch den Kontrollverlust – aber juristisch will er das nicht anerkennen."
Gesine Dornblüth erklärt: Ein rechtlicher Verzicht auf die Krim sei für Selenskyj ausgeschlossen, weil er sonst jede Hoffnung auf eine spätere diplomatische Rückgabe aufgeben müsste. Trump verlange außerdem keine echte Gegenleistung von Russland – was für viele Ukrainer*innen wie Denis inakzeptabel sei.
"Trump nennt es schon einen Kompromiss, dass Russland nicht ganz Ukraine einnimmt – das ist absurd."
Denis hält es für völlig inakzeptabel, dass Trumps Vorschlag keinerlei Gegenleistung von Russland verlange. Der ehemalige US-Präsident bezeichne es bereits als Kompromiss, dass Russland nicht die gesamte Ukraine einnehme – was für Denis völlig absurd ist. Russland würde in diesem Szenario gewinnen, ohne etwas abzugeben. Eine solche Logik ignoriere, dass es die ukrainische Armee gewesen sei, die eine vollständige Besetzung überhaupt verhindert habe. Eine Belohnung für Moskau sei daher völlig fehl am Platz.
Frieden um jeden Preis?
Natürlich sei das Argument verlockend, sagt Denis: Wenn die Krim abgegeben wird, hört das Töten auf. Aber er und viele andere Ukrainer*innen glauben nicht daran.
"Noch wichtiger als die Krim ist für uns die Frage nach Sicherheit und Sicherheitsgarantien."
Er verweist auf laufende Gespräche zwischen der Ukraine, der EU und den USA. Ziel seien nicht nur ein Waffenstillstand, sondern echte Sicherheitsgarantien – etwa durch die Perspektive eines EU-Beitritts, durch Unterstützung der Rüstungsindustrie, durch klare militärische Rahmenbedingungen.
Ein echter Friedensprozess, so Gesine Dornblüth, könne überhaupt erst beginnen, wenn Russland einen vollständigen Waffenstillstand akzeptiert. Erst dann wäre Vertrauen in ernsthafte Verhandlungen möglich. Die russische Führung habe wiederholt gefordert, dass sich die Ukraine aus Teilen ihres eigenen Staatsgebiets zurückzieht – etwa aus Regionen wie Cherson oder Saporischschja, die Kiew noch kontrolliert. Für die Ukraine sei das völlig inakzeptabel.
"Die Ukraine will einen gerechten, stabilen Frieden. Und das heißt: Die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden."
Dazu gehöre auch, dass Russland für die Zerstörung zahlt, die es angerichtet hat – sowohl wirtschaftlich als auch moralisch.
Auf die Frage, ob es überhaupt einen Kompromiss geben könne, sagen sowohl unsere Korrespondentin, als auch Deniz: Sie sehen derzeit keinen. Russland lehne echte Verhandlungen ab, wolle keine Bedingungen akzeptieren, wolle keine Verantwortung übernehmen.
"Im Kern geht es darum, dass die Ukraine sich als unabhängiger Staat sieht – und Russland sieht sie als Teil von Russland."
Das sei, so Deniz, eine unüberbrückbare Kluft. Solange sich daran nichts ändere, bleibe der Konflikt ungelöst – auch wenn Bilder aus dem Vatikan etwas anderes suggerieren.
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