Der Winter sagt Tschüss und der Frühling klopft an. Das bedeutet auch: Viele Wildtiere bekommen Nachwuchs oder sind besonders aktiv, weil sie Hunger haben. Wann sollten wir Tieren helfen und wann besser nicht?

Die Temperaturen steigen, bei vielen Tieren steht die Paarungszeit an, gerade kreuzen auch wieder viele Tiere die Straßen, nach der Paarung kommen dann die Jungtiere. – Das Frühjahr ist eine hochsensible Zeit für Elterntiere. Sie haben nur noch wenig Platz und Raum, weil auch wir Menschen bei dem schönen Wetter ins Freie drängen und Raum beanspruchen, erklärt Paul Wernicke, Leiter der Wildnisschule Hoher Fläming in Bad Belzig in Brandenburg.

"Ich glaube, das Wichtigste ist, sich in Achtsamkeit zu schulen. Was ist so die richtige Grenze?"
Paul Wernicke, Leiter der Wildnisschule Hoher Fläming in Bad Belzig

Damit wir die Tiere möglichst wenig stören, sei es wichtig, eine Sensibilität zu entwickeln, ein Gespür dafür, was richtig und was falsch ist. Dieses Gespür sei in uns angelegt, sagt Paul Wernicke. Wer im Wald oder am Feldrand ein Nest entdeckt, sollte einen großen Bogen drumherum machen und nicht zu laut sein. Ebenso um einen Wildtierbau, vor dem viele Spuren zu erkennen sind.

Tipps für den Umgang mit Singvögeln

Bei den Singvögeln gebe es die Mär, man dürfe sie nicht mit der Hand anfassen. Stimmt aber gar nicht, sagt Paul Wernicke. Ist ein Vogel aus dem Nest geplumpst und kann noch nicht selbst wieder zurück, dürfe man ihm behilflich sein.

"Wenn ein Vogel noch nicht flügge ist, also noch nicht alleine rumlaufen kann, dann kann man ihn ruhig wieder ins Nest setzen – wenn man das Nest findet."
Paul Wernicke, Leiter der Wildnisschule Hoher Fläming in Bad Belzig

Anschließend kommt eine Zeit, in der die kleinen Vögel zwar noch nicht fliegen, aber trotzdem schon zu groß fürs Nest sind, erklärt der Wildnispädagoge. Drei, vier Tage lang seien sie dann auf dem Boden unterwegs und tippeln dort herum. Sie wirken – und sind – in dieser Phase völlig hilflos. Die Elterntiere sind in der Nähe und passen auf.

Bei den Amseln zum Beispiel beginne diese Zeit in etwa drei bis vier Wochen. In dieser Zeit sollte man darauf achten, eben nicht jeden Jungvogel sofort in die Hand zu nehmen und sein Nest zu suchen, um ihn dort hineinzusetzen. Stattdessen sollten wir lieber erstmal behutsam beobachten, ob da irgendwo ein aufgeregter (und dementsprechend akustisch wahrnehmbarer) erwachsener Vogel in der Nähe ist. Und dann verschwinden.

Beim Vögelfüttern empfiehlt Paul Wernicke, eine Schnur zu spannen und daran Futtersäulen zu hängen. Vorteil eins: Die kleinen Vögel können dort ihr eigenes Futter nicht durch ihren Kot verunreinigen und dadurch Bakterien oder Krankheiten übertragen. Vorteil zwei: Die Katzen kommen nicht so gut dran.

Bei Rehen eher Finger weg

Rehkitze sollten wir nicht berühren. Denn wenn sie nach Mensch riechen, werden sie von der Mutter verschmäht, erklärt Paul Wernicke.

"Bei den Rehkitzen ist es anders als bei den Vögeln: Sobald wir es angefasst haben, riecht es nach Mensch und wird von der Mutter nicht mehr angenommen."
Paul Wernicke, Leiter der Wildnisschule Hoher Fläming in Bad Belzig

Natürlich gibt es Ausnahmen: Wenn das Rehkitz etwa in einer Lage ist, aus der es selbst nicht herauskommt, kann man es notfalls mit Handschuhen oder einer Decke berühren. Das sollten aber eher Expert*innen tun, zum Beispiel Leute von Naturschutzverbänden oder Förster bzw. Jägerinnen.

Anderes Beispiel: Bevor die Ernte beginnt, gibt es oft großangelegte Aktionen, in der Leute durch die Felder gehen und die dort liegenden Rehkitze mit Decken heraustragen, bevor der Mähdrescher kommt.

Grundsätzlich gilt aber: In seinen ersten zwei, drei sensiblen Wochen bleibt das Rehkitz meistens einfach liegen – das ist seine Tarntaktik und damit sein größter Schutz, erklärt Paul Wernicke. Viele Menschen denken dann: "Oh! Das arme, süße Reh ist völlig hilflos, es kann sich gar nicht bewegen!" Die Wahrheit ist: Es liegt dort quasi in Todesangst und wartet nur darauf, bis wir endlich verschwinden.

Shownotes
Frühling
Wie wir Wildtieren jetzt helfen können
vom 18. März 2023
Moderation: 
Anna Kohn
Gesprächspartner: 
Paul Wernicke, Wildnispädagoge und Leiter der Wildnisschule Hoher Fläming in Bad Belzig in Brandenburg