Die Bundesliga startet, und in den Stadien ist ein gewisser Prozentsatz an Zuschauern erlaubt. Aber wie ist das eigentlich mit dem Corona-Ansteckungsrisiko, wenn tausende Fans – trotz Abstand – zusammen singen und grölen?

Matthias Echternach ist HNO-Arzt und Leiter der Abteilung Phoniatrie am Klinikum der Universität München. Er sagt, die Frage sei noch nicht abschließend wissenschaftlich untersucht. Allerdings sei davon auszugehen, dass die schweren Teilchen, also etwa Tröpfchen, die Covid-19 übertragen, sehr wahrscheinlich zu Boden fallen. Und die Aerosole würden an der freien Luft weggeweht, vermutet der HNO-Arzt, der selber im Chor singt.

Nach den Untersuchungen, die der Mediziner und Kollegen bisher gemacht haben, gehen sie davon aus, dass etwa zwei bis zweieinhalb Meter Abstand nach vorne und anderthalb Meter zu den Seiten ausreichen, um das Ansteckungsrisiko durch Gesang zu minimieren. "Dann sollte die Gefahr der direkten Wolke weg sein", sagt Matthias Echternach.

Regeln vs. Emotionen im Stadion

Der HNO-Arzt hat allerdings die Befürchtung, dass sich solche Abstände im Stadion kaum durchsetzen lassen. "Im Stadion, seien wir ganz ehrlich, da umarmt man sich, da freut man sich über ein Tor. Wenn man da mit Abstand schaut, da wird das ein bisschen akademisch, ein bisschen steril, Fußball zu gucken."

"Wenn wir im Stadion alle ganz leise sein wollen, dann ist Fußball nicht mehr Fußball und Handball nicht mehr Handball."
Matthias Echternach, HNO-Arzt und Fußballfan

Das Problem beim Fußball ist jedoch, dass Fans nicht erst brav anreisen, sich dann mit Abstand auf ihre Plätze stellen und dann irgendwann anfangen zu grölen. Ein Teil der Fans reist oft mit Zügen oder mit dem öffentlichen Nahverkehr an und beginnt schon, in der U-Bahn zu singen.

Aber es gehe eben auch nicht nur ums Singen, so Matthias Echternach: "Das ist nicht nur das Singen, das ist auch das Schreien. Das ist alles Lautstärke-abhängig." Auch beim lauten Schreien würden diese Partikel, die Covid-19 übertragen können, abgegeben. Der HNO-Arzt, der selber großer Fußball-Fan ist, glaubt jedoch, dass in einem Stadion, in dem alle ganz leise sind, nicht wirklich Fußball-Atmosphäre entstehen kann.

"Wenn die Abstände eingehalten werden, da kann man einiges schreien, ich glaube, da passiert nicht viel."
Matthias Echternach, HNO-Arzt und Fußballfan

Matthias Echternach findet, dass man abwägen sollte: Das Risiko im Stadion sei sicherlich ein wenig erhöht – auch mit Abstand. "Ich glaube, ein Nullrisiko werden wir die nächsten Monate, vielleicht sogar Jahre sowieso nicht haben. Wir müssen schauen, dass wir das Risiko minimieren", sagt der Arzt.

Seiner Meinung nach sind Singen und Schreien Ausdrucksformen des Menschen, die Grundbedürfnisse ausdrücken. Darum findet Matthias Echternach es schwierig, sie zu verbieten. Abgesehen davon seien Fans eben auch emotional aufgewühlt. Und in so einem Zustand halte man sich manchmal nicht mehr an Regeln. "Ich glaube, das ist eine nüchterne Wahrheit", sagt er.

Shownotes
Fußball
Fangesänge und das Corona-Ansteckungsrisiko
vom 18. September 2020
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Matthias Echternach, HNO-Arzt und Leiter der Abteilung Phoniatrie am Klinikum der Universität München.