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Anna-Marias Vater hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. In der Zeit der Krankheit gibt ihm eine schwere Silberkette Hoffnung, die er an seine Tochter vererben will. Doch nach seinem Tod ist die Kette weg. Ein Fremder hat sie im Krankenhaus vom Leichnam gestohlen. Anna-Maria kann deswegen bis heute nicht richtig mit dem Tod ihres Vaters abschließen.

Sie hat ihren Vater beim Sterben begleitet. Das war traurig, aber Anna-Maria hat sich damit versöhnt. Dass sie trotzdem immer wütend wird, wenn sie an den Tod ihres Vaters denkt, hat mit der schweren Silberkette zu tun, die Anna-Maria viel bedeutet; Eine Kette mit Kreuzanhänger, in den die Worte Glaube, Liebe, Hoffnung eingraviert sind.

Für Anna-Maria ist das Schmuckstück ein Symbol für die Gefühle ihres sterbenden Vaters, auch für seine Angst. Er hatte sie nach seiner Krebsdiagnose gekauft. Jemand hat die Kette von seiner Leiche abgenommen und mitgenommen.

Die Kette als Symbol

Ihre bildliche Vorstellung, dass ihn jemand berührt und bestohlen hat, als er tot war, lässt sie nicht los. Jemand Unbekanntes hat Anna-Marias Erfahrung vom friedlichen Tod ihres Vaters zerstört. Sie hatte sofort ein Bild im Kopf, dass ein fremder Mensch mit bösem Willen ihren Vater anfasst, im Nacken die Kette öffnet und sie dann vom Leichnam ihres Vaters entfernt.

Die Kette passte eigentlich nicht zu ihrem Vater, findet Anna-Maria. Der war ein Machertyp, jemand, der zupackte. Das blieb auch nach der Diagnose so. Über die Krankheit und den Tod hat ihr Vater kaum geredet. Für Anna-Maria war die Kette, als sie plötzlich um seinen Hals hing, erschreckend dominant und massiv. Sie hat die Ängste und Gefühle ihres Vaters direkt ausgedrückt. Er, der nie Schmuck trug, schien die Kette von nun an nicht mehr abzulegen.

Die Kette fehlt

Als der Tod ihres Vaters näherkam, wurde er immer schmaler, fast körperlos. Die Kette blieb um seinen Hals, direkt neben dem Zugang für die Medikamente der Chemotherapie. Nach dem Tod wirkte er friedlich und schön, erinnert sich Anna-Maria. Schmerzen und Falten waren verschwunden.

Sie erinnert sich, wie er dort lag. Mit dem, was er an sich hatte. Die Bestatterin wurde telefonisch informiert, dass sie ihm bitte die Kette abnehmen soll, bevor er ins Krematorium gebracht wird. Anna-Marias Vater wollte, dass sie die Kette nach seinem Tod bekommt. Dann kam der Anruf der Bestatterin, dass er das Schmuckstück nicht trug, als sie ihn abholte.

Seitdem hat Anna-Maria eigentlich bis heute immer wieder dieses Bild im Kopf, wie ihn jemand Fremdes anfasst und seine Leiche bestiehlt. Das Gefühl einer starken Wut, das Anna-Maria hat, belastet sie und überdeckt die Erinnerung an ihren Vater, weil sie daran nichts ändern, es nicht wieder gut machen kann.

Wir erzählen Eure Geschichten

Habt ihr etwas erlebt, was unbedingt erzählt werden sollte? Dann schreibt uns! Storys für die Einhundert sollten eine spannende Protagonistin oder einen spannenden Protagonisten, Wendepunkte sowie ein unvorhergesehenes Ende haben. Im besten Fall lernen wir dadurch etwas über uns und die Welt, in der wir leben.

Wir freuen uns über eure Mails an einhundert@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Geschichten von Dingen
Anna-Maria: "Mein Vater wollte, dass ich diese Kette bekomme"
vom 15. November 2019
Autorin: 
Carolin Haentjes
Moderator: 
Paulus Müller