Knieschmerzen, Depressionen oder Endometriose: Bei diesen und weiteren Erkrankungen können Apps helfen. Krankenkassen übernehmen die Kosten, doch noch werden wenige dieser sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen verschrieben.

Apps, vom Arzt oder der Ärztin verschrieben, von der Krankenkasse bezahlt: Das wurden vor über zwei Jahren vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn groß angekündigt. Als "Weltneuheit" pries er sie an – die Apps sollten die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessern. Was ist daraus geworden?

Auf der offiziellen Liste stehen aktuell genau 56 solcher Apps. Offiziell heißen sie DiGAs – kurz für digitale Gesundheitsanwendungen. Es gibt eine Liste für alle DiGAs, die verordnet werden können: Zum Beispiel für Menschen mit Reizdarm, Knieschmerzen, Endometriose, chronischen Schmerzen, Impotenz, Tinnitus, Stress und Burnout, Depressionen.

Kosten: 600 Euro für drei Monate

"Bei vielen geht es um das Managen der Krankheit, also zu lernen, damit zu leben, Informationen zur Krankheit zu bekommen, manchmal gibt es auch Trainingsaufgaben", erklärt Medizinjournalistin Christina Sartori. Hinter vielen Gesundheits-Apps steckt die Idee, dass sie helfen könnte, neue Verhaltensweisen einzuüben.

Die Krankenkasse bezahlt diese Apps. Sie kosten im Durchschnitt etwa 600 Euro für drei Monate. Im ersten Jahr bestimmen die Entwickler der Apps, wie teuer die Nutzung ist. Für die Krankenkassen kommt so einiges zusammen: Die haben bislang mehr als 100 Millionen Euro für solche DiGAs ausgegeben.

Wirksamkeit erst nach einem Jahr belegen

Dabei nutzen die noch gar nicht so viele Menschen, weniger als 400.000 Patient*innen bis September vergangenen Jahres. "Das ist bei mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherten sehr wenig", ordnet Christina Sartori ein.

Doch woran liegt das? Reporterin Christina Sartori glaubt, die Apps sind bei Patientinnen und Patienten noch nicht so bekannt. Und viele Ärzte und Ärztinnen würden sie kritisch sehen. Denn die Anbieter von so einer App müssen erst nach einem Jahr beweisen, dass die App wirkt und keinen Schaden anrichtet.

"Das ist blöd für die Patienten und blöd für die Krankenkassen, die das über ein Jahr bezahlt haben - das waren in dem Fall mehr als eine Millionen Euro."
Christina Sartori, Medizinjournalistin

Das ist bei Medikamenten anders: Da müssen Hersteller erst mit Studien belegen, dass sie wirken. Dass das bei den Apps andersherum ist, hat einen Grund: Man wollte es den Entwicklern leichter machen. Das hat aber dazu geführt, dass zum Beispiel eine Migräne-App von Patienten genutzt wurde – und nach einem Jahr zeigte sich: Sie wirkt gar nicht.

"Das ist blöd für die Patienten und blöd für die Krankenkassen, die das über ein Jahr bezahlt haben – das waren in dem Fall mehr als eine Millionen Euro", erklärt Christina Sartori. Weil sie in Studien nicht wirksam waren, sind sechs Apps wieder von der Liste gestrichen worden.

Deswegen fordern Krankenkassen und einige Ärzteverbände: Es sollte immer vorher in einer Studie gezeigt werden, dass eine DiGA wirkt. Und zwar in Studien, die strenger sind als bislang. Kritisiert wird nämlich auch, dass die Studien zu Gesundheits-Apps nicht so streng wie bei Medikamenten kontrollieren, ob es tatsächlich an der App liegt, dass es Teilnehmenden nachher besser geht oder nicht.

Fest aufgenommen vs. vorläufig aufgenommen

Das koste Zeit und Geld, erklärt Christina Sartori. "Da sagen die App-Hersteller, das sei zu viel Aufwand – das macht man nicht, wenn man nicht vorher sieht, dass es Interesse bei Patienten gibt." Deshalb wollen die App-Hersteller weiter dieses erste Jahr ohne Studie.

Die offizielle Liste mit den aktuellen DiGAs ist sehr übersichtlich. Darin steht auch, welche schon fest aufgenommen wurden – das heißt, die haben in einer Studie gezeigt, dass sie wirken. Das Fazit von Medizinjournalistin Christina Sartori: "Von denen würde ich mir dann meine DiGA aussuchen – und das mit meiner Ärztin besprechen. Aber wenn da in der Liste nur 'vorläufig aufgenommen' steht, dann wurde noch keine Studie zur Wirksamkeit dieser Gesundheits-App gemacht. Da würde ich persönlich abwarten."

Shownotes
App auf Rezept
Was Gesundheits-Apps bringen und warum es nicht so viele gibt
vom 17. April 2024
Moderation: 
Tina Howard
Gesprächspartnerin: 
Christina Sartori, Medizinjournalistin