Plötzlich müssen die Gesundheitsämter kommunikativ sein. Sie kontaktieren Menschen, die mit Sars-CoV-2-Infizierten zu tun hatten. Die meisten Ämter kommen gut zurecht, auch wenn sie eigentlich zu wenig Personal haben. Systematische Tests gibt es aber nicht überall.

Um die Zahl der Covid-19-Erkrankten möglichst gering zu halten, gibt es eine wirksame Methode: Viele Menschen auf das Virus testen und möglichst alle isolieren und in Quarantäne schicken, die andere Menschen anstecken könnten. Das gilt auch für Menschen, die engen Kontakt mit Infizierten hatten.

So lassen sich Infektionsketten nachverfolgen und idealerweise unterbrechen. Das funktioniert derzeit über die Arbeit der Gesundheitsämter - die App zur Kontaktnachverfolgung lässt weiter auf sich warten.

Die Ämter befragen also positiv Getestete, mit wem sie Kontakt hatten und rufen diese Menschen an. Sie orientieren sich dabei an den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts. Geeinigt hatten sich Bund und Länder darauf, das je 20.000 Einwohner in jedem Landkreis ein Team von fünf Leuten zur Verfügung stehen muss, um diese Kontaktpersonennachverfolgung zu erledigen.

Wenig Personal reicht derzeit aus

Der Journalist Markus Grill hat mit Kolleginnen und Kollegen Gesundheitsämter bundesweit danach befragt, wie die Kontaktnachverfolgung im Moment funktioniert. Das Ergebnis: zwei Drittel aller Landkreise und Gesundheitsämter verfügen für diese Aufgabe über weniger als fünf Personen pro 20.000 Einwohner.

"Im Moment geht es. Mit ungefähr 1000 Neuinfizierten schaffen die Gesundheitsämter das offensichtlich auch, mit weniger Personal diese Nachverfolgung zu machen."
Markus Grill, Journalist, über die Kapazitäten der Gesundheitsämter

Solange die Zahl der täglichen Neuinfektionen gering bleibe, sei das unproblematisch, meint Markus Grill, aber "sobald wir wieder in einen Zustand kommen mit 3000, 4000 Neuinfektionen pro Tag, ist absehbar, dass die Gesundheitsämter das nicht mehr leisten können."

Tests sind eine Geldfrage

Eher unbefriedigend ist die Anzahl der Personen, die getstet werden. Wer einen Face-to-face-Kontakt von mindestens 15 Minuten mit einer infizierten Person hatte, gehört in die höchste Kategorie und sollte eigentlich getestet werden. Doch systematisch fänden diese Tests nur in 21 Landkreisen statt, das sind etwa zwölf Prozent, sagt Markus Grill. Vor allem in Baden-Württemberg werde auf diesem hohen Niveau getestet, das Bundesland übernimmt zudem die Kosten, auch wenn die so Getesteten ohne Symptome sind. Bislang zahlen die Krankenkassen die Tests nur bei Personen, die auch Symptome haben.

"Die Landesregierung Baden-Württemberg sagt: Wir finanzieren das und darum finden dort auch systematische Tests statt, in den anderen Bundesländern hingegen fast gar nicht."
Markus Grill, Journalist, über Gesundheitsämter und die Finanzierung von Covid-19 Tests

Ein neues Infektionsschutzgesetz soll die Situation verbessern. Künftig sollen, sagt Markus Grill, "die Krankenkassen verpflichtet werden, die Tests bei symptomlosen Kontaktpersonen zu finanzieren." Im entsprechenden Gesetzentwurf steht das auf Seite drei. Von den Testkapazitäten her ginge das, schätzt der Journalist. Wöchentlich kämen etwa 70.000 Tests hinzu.

Shownotes
Infektionsketten nachverfolgen
Sars-CoV-2: Nicht alle Kontakte von Infizierten werden getestet
vom 14. Mai 2020
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartner: 
Markus Grill, Journalist