Erstmals gibt es in der EU eine gemeinsame Vereinbarung zur Bestrafung sexualisierter Gewalt. Das ist ein Erfolg. Doch die neue EU-Richtlinie lässt einen Straftatbestand aus: Vergewaltigung. Auch wegen Widerstand aus Deutschland und Frankreich.

Die EU-Mitgliedstaaten und das EU-Parlament haben sich auf eine gemeinsame Vereinbarung verständigt zur Bestrafung sexualisierter Gewalt. Das Ganze muss noch offiziell abgesegnet werden, doch das gilt als Formsache.

Mit der neuen EU-Richtlinie gibt es erstmals ein Gesetz zu sexualisierter Gewalt. In allen EU-Ländern sollen bestimmte Taten strafbar sein: Dazu gehören Stalking und Mobbing im Netz. Auch das unerlaubte Weiterschicken intimer Fotos. Ebenso Zwangsheirat sowie Genitalverstümmelung.

EU-weite einheitlich Strafen

Darauf folgten positive Reaktionen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus sprach von einem wichtigen Erfolg. Die Richtlinie stärke die Rechte von Menschen, die von geschlechtsbezogener Gewalt betroffen sind.

Es gibt aber auch Kritik an der neuen Richtlinie. Da es keine EU-weite Definition von Vergewaltigung gab, wurde der Straftatbestand aus dem Gesetzespaket ausgeklammert. "Das EU-Parlament wollte, dass in allen Mitgliedsländern der EU die Regelung 'Ja heißt Ja' gilt", sagt Alexander Werth aus der Nachrichtenredaktion.

Der Straftatbestand Vergewaltigung fehlt

Diese Regelung bedeutet, dass Menschen sexuellen Handlungen ausdrücklich zustimmen müssen. Dieses Einwilligungsgesetz gibt es zum Beispiel in Spanien und Schweden. Einige EU-Länder wollten einer solchen einheitlichen Regelung aber nicht zustimmen. Unter anderem Deutschland und Frankreich.

In der EU ist der Straftatbestand Vergewaltigung unterschiedlich geregelt. In 18 von 27 EU-Mitgliedstaaten muss Gewalt oder Bedrohung vorliegen. "Nur dann gilt es offiziell als Vergewaltigung und ist strafbar", sagt Alexander Werth.

In Deutschland wiederum gilt die "Nein heißt Nein"-Regelung. Der Straftatbestand Vergewaltigung liegt vor, wenn Handlungen deutlich abgelehnt werden. Sei es körperlich, verbal oder durch Gesten.

"Nein heißt Nein" oder "Ja heißt Ja"

Das EU-Parlament hatte für die neue Richtlinie die "Ja heißt Ja"-Regelung gefordert. Mehrere Länder blockierten die Regelung, wie zum Beispiel Deutschland. "Deutschland und Frankreich haben mit rechtlichen Gründen argumentiert", sagt Alexander Werth. Solche eine EU-weite Definition von Vergewaltigung dürfe es nicht geben, dafür fehle die Grundlage im Europarecht. Ein solches Gesetz werde wahrscheinlich wieder einkassiert, so die Begründung. Die wiederum wurde kritisiert.

"Ein Gesetzpaket zum Thema Gewalt gegen Frauen muss natürlich den Bereich Vergewaltigung mit beinhalten."
Maria Noichl, SPD, Abgeordnete im Europäischen Parlament

Frances Fitzgerald, Verhandlungsführerin im EU-Parlament, zeigt sich enttäuscht. Ebenso die Abgeordnete Maria Noichl von der SPD macht deutlich, dass gerade der Straftatbestand der Vergewaltigung in solch einem Gesetzespaket nicht fehlen dürfe.

In Deutschland hatte es vorab zur Entscheidung in Brüssel einen Offenen Brief gegeben. Über hundert prominente Frauen hatten darin gefordert, dass Deutschland der Regelung zustimmen solle.

Shownotes
Gewalt gegen Frauen
Vereinbarung ohne EU-weite Definition von Vergewaltigung
vom 07. Februar 2024
Moderation: 
Till Haase, Nik Potthoff
Gesprächspartner: 
Alexander Werth, Deutschlandfunk Nova