Für den Traumjob Leib und Leben zu riskieren, gehört für die Polizistin Jennifer Otto zum Alltag. Die Gewalt gegen Beamte nehme stetig zu, sagt sie. Aber auch die Polizei gerät immer wieder in die Schlagzeilen, wenn Einsatzkräfte mitunter Gewalt anwenden.
Jennifer Otto weiß, dass immer die Gefahr besteht, dass sie nach einem Dienst nicht nach Hause zurückkehren könnte. Sie ist sich des Risikos bewusst, dass sie tagtäglich als Polizistin eingeht. Eine Gefahr, die immer vorhanden ist, sich aber weder genau kalkulieren, noch eingrenzen lässt. Jennifer Otto ist allerdings auch froh, dass sie nicht ständig daran denkt, denn das würde es ihr wahrscheinlich unmöglich machen, ihren Beruf weiter auszuüben.
"Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn ein Kollege oder eine Kollegin im Dienst verstirbt."
Um so schockierender ist es für Jennifer Otto und ihre Kolleg*innen auf einem Video mitverfolgen zu müssen, wie der Polizist Rouven Laur in Mannheim Opfer eines Messerangriffs wird, an dessen Folgen er später verstirbt. Viele Gespräche wurden geführt und auch viel geweint, berichtet Jennifer Otto.
Großer Zuspruch nach Tod des Polizisten durch Messerangriff
Was geholfen habe, war der große Zuspruch, den die Kolleg*innen des verstorbenen Beamten in Baden-Württemberg und darüber hinaus erfahren haben. Das habe ihnen das Gefühl gegeben, mit dieser Situation und der Trauer nicht alleine zu sein, sagt Jennifer Otto.
Angriffe auf Polizisten nehmen seit 20 Jahren stetig zu
Seit 20 Jahren macht die Gewerkschaft der Polizei drauf aufmerksam, dass die Gewalt gegen Einsatzkräfte zunimmt, sagt Jennifer Otto. Auch durch Social Media bekomme man mehr Vorfälle mit, sodass subjektiv das Gefühl entstehe, dass es gefährlicher geworden sei, sagt die Polizistin. Diese Entwicklung führe dazu, dass die Polizei über Wege nachdenkt, wie sich Beamte besser selbst schützen können.
Psychische Verfassung von Angreifern schwer einzuschätzen
Auch psychische Erkrankungen bei Angreifern erschweren Situationen, sagt Jennifer Otto. Polizisten wollen Menschen schützen, aber auch sich selbst. Wenn ihnen ein psychisch erkrankter Mensch mit einem Messer gegenübersteht, sei die Verfassung des Täters schwer einschätzbar. Derartige Situationen können dazu führen, dass ein Polizist zur Schusswaffe greife, sagt die Bundesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.
Jennifer Otto sagt, dass die Polizei sehr gut darin ausgebildet ist, zu entscheiden, welches Einsatzmittel wann eingesetzt wird. Auch wenn im Einsatz von Beamten Gewalt ausgeübt werden müsse, wollen Polizisten verantwortungsvoll damit umgehen, sagt Jennifer Otto. Dass Fehler passieren können, gesteht sie ein, und sagt, dass diese aufgeklärt, aufgearbeitet und rechtlich beurteilt werden müssen. Sie hofft auf mehr Vertrauen aus der Bevölkerung in die Arbeit der Polizei.
"Diese Tat macht es noch greifbarer, dass es tatsächlich so gefährlich sein kann, dass Kollegen und Kolleginnen ihr Leben verlieren können."
"Polizei ist keine Organisation, in der es eine ausgewiesene Fehlerkultur gibt, sondern es gibt eine Fehlervermeidungskultur", sagt der Kriminologe Rafael Behr. Die Polizei stehe unter Druck, aber eine Gewaltzunahme lasse sich seiner Einschätzung nach statistisch nicht eindeutig nachweisen. Oft würden Angriffe sehr unterschiedlich registriert werden. Zum Teil würden sie nicht als Messerangriffe dokumentiert werden. Es werde oft auch nicht unterschieden, ob ein Angreifer das Messer lediglich bei sich führe oder gezielt mit einem Messer auf jemanden losgehe. Der Kriminologe spricht von einer großen Grauzone.
Ganz sicher sei, dass die Berichterstattung dramatisch zugenommen habe, sagt der Kriminologe. Dadurch verdichte sich das Bild für einige, auch in der Polizei, dass die Gewalt gegen Beamte mehr wird. Tatsächlich könne das quantitativ gar nicht eindeutig nachgewiesen werden, sagt der Kriminologe Rafael Behr.
"Kein Kollege und keine Kollegin möchte zur Schusswaffe greifen. Das ist für uns das Schlimmste, was passieren kann, wenn wir zur Schusswaffe greifen müssen."
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