Wegen der russischen Invasion in der Ukraine werden die EU-Staaten deutlich weniger Öl aus Russland einkaufen. Nachdem es lange schon so aussah, als würde es keine schnelle Einigung geben, haben sie sich bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel auf ein Teilembargo geeinigt: Alle Öleinfuhren, die per Schiff die EU-Staaten erreichen, sollen eingestellt werden - das sind etwa zwei Drittel der gesamten russischen Ölexporte in die EU.
Einen kompletten Einfuhrstopp für russisches Öl wird es erst einmal nicht geben. Etwa ein Drittel des Öls – das, das über die Pipelines über Land kommt – wird weiterhin von den Staaten der EU eingekauft. Der Großteil – etwa zwei Drittel der gesamten russischen Ölexporte in die EU – fällt allerdings weg: Alle Öleinfuhren, die per Schiff die EU-Staaten erreichen, werden gestoppt.
"Alle Öleinfuhren, die per Schiff die EU-Staaten erreichen, werden gestoppt. Deutschland und Polen wollen ab 2023 auch kein Pipeline-Öl mehr aus Russland abnehmen."
Deutschland und Polen haben aber schon angekündigt, dass sie ab nächstem Jahr auch kein Pipeline-Öl mehr aus Russland abnehmen wollen. Das alles mit eingerechnet, betrifft der Einfuhrstopp ab dem Jahr 2023 dann – so sagt es zumindest EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – 90 Prozent der gesamten russischen Öllieferungen.
90 Prozent – "das wäre dann schon eine harte Maßnahme", sagt DLF-Chefkorrespondent Stephan Detjen, der den Sondergipfel in Brüssel für uns vor Ort beobachtet. Das bisher Beschlossene nennt er "Schritte zu einem Embargo".
"Schritte zu einem Embargo"
Nach neun Stunden Verhandlungsmarathon haben die Diplomaten in der Nacht in Brüssel zunächst eine grundsätzliche politische Einigung erzielt und verkündet – die Details dafür müssen aber alle noch geklärt werden. Konkretes bezüglich der Abläufe und des Zeitplans für den Ausstieg wurde also noch nicht entschieden. Dass die russischen Öllieferungen per Schiff EU-weit eingestellt werden, könne aber schnell gehen, glaubt Stephan Detjen aus dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio.
Putins Handeln führe sein Land im Augenblick in einen wirtschaftlichen Ruin, sagt Stephan Detjen aus dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio. Bei den EU-Staaten müsse man differenzieren: Ungarn etwa sei stark von russischen Ölimporten abhängig und habe deshalb klar kommuniziert, dass ein vollständiger Boykott das Land in einen wirtschaftlichen Kollaps führen würde.
Ungarn gegen Komplett-Embargo
Mit der Lösung, die Schiffsimporte zu verbieten, die Pipeline-Einfuhren aber weiterhin ersteinmal noch zuzulassen, konnte man den EU-Staat offensichtlich ins Boot holen. Denn Ungarn ist von dem Lieferstopp nicht betroffen, das Land bekommt sein russisches Öl über Pipelines.
Der Beschluss scheint für Ungarn maßgeschneidert – für EU-Ratspräsident Charles Michel ist die Entscheidung für diesen Kompromiss aber nicht einzig und allein wegen Ungarn so ausgefallen. Auch ändere EU-Länder hätten keinen Seezugang.
"Es ist keine Entscheidung rein für Ungarn. Wir haben mit der Entscheidung auch die Länder mitbedacht, die keinen Seezugang haben. Und das sind mehr Länder als nur Ungarn."
Ungarn hatte Geld und Garantien dafür gefordert, damit man bei so einem Embargo mitmacht. Darum soll es unter anderem heute (31.05.2022) beim EU-Sondergipfel in Brüssel gehen.
Dass die EU überhaupt zu einer einigermaßen schnellen Einigung gekommen ist und diese eben nicht vertagt wurde - was zunächst als sehr wahrscheinlich galt - sei ein deutliches Zeichen an Russland, wird jetzt von EU-Seite betont. Die Botschaft: Europa hat erneut bewiesen, dass es zu Kompromissen in der Lage ist.
Weitere 60 Personen auf der EU-Sanktionsliste
Neben der Einigung auf das Öl-Teilembargo hat die EU noch weitere Strafmaßnahmen beschlossen. Weitere 60 Personen, die dem russischen Staatschef Putin nahestehen, wurden auf die Sanktionsliste der EU gesetzt – darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill.
"Weitere 60 Personen wurden auf die Sanktionsliste der EU gesetzt – darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill."
Außerdem werden drei weitere Banken vom internationalen Finanzsystem Swift ausgeschlossen, darunter die größte russische Bank, die Sberbank. Und es werden mit dem neuen Strafpaket weitere staatliche Medien aus Russland in der EU verboten. Sie dürfen ihre Inhalte in den EU-Staaten nicht mehr verbreiten.
Nochmal neun Milliarden Euro für die Ukraine
Neben den Strafmaßnahmen haben sich die EU-Staaten auch auf weiteres frisches Geld für die Ukraine geeinigt. Der Sondergipfel hat neun Milliarden Euro bewilligt, mit denen das Land vor allem seine laufenden Ausgaben decken soll, zum Beispiel die Rentenzahlungen. Der Großteil des Geldes kommt vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank - in Form von niedrig verzinsten Langzeitkrediten.