Mitstudierende sagen schlauere Sachen, auf Social Media haben alle ein schöneres Leben – wir vergleichen uns ständig mit anderen. Das geht auch Alexandra so. Doch Vergleiche sind ganz normal und wichtig. Und wenn wir darunter leiden, können wir aktiv handeln.
Ein klassischer Tag in der Uni: Das Lieblingsseminar steht an, die Laune ist gut, die Motivation hoch, weil das Thema echt spannend ist. Und dann sagt jemand etwas beeindruckend Schlaues. Sofort meldet sich die eigene Unsicherheit: Wieso weiß ich das nicht?
Solche Situationen kennt Alexandra gut. Sie ist Mitte 20 und studiert Geschichte. Sie ist genervt davon, dass sie sich ständig mit anderen vergleicht – ob in ihrem Job als Werkstudentin oder in der Uni.
Vergleiche schon in der Schule
"Da vergleiche ich mich immer sehr, weil ich das Gefühl habe, dass meine Beiträge qualitativ nicht hochwertig genug sind oder mein Wissen nicht tiefgreifend ist", sagt sie. Wenn sie Mitstudierende hört, die ganz bestimmtes Fachwissen haben, denkt Alexandra oft, sie müsste das eigentlich auch wissen.
Sie hat auch schon darüber nachgedacht, woher es kommt, dass sie sich oft mit anderen vergleicht. Sie glaubt, das liegt an ihrer Schulzeit: Schon damals wurde sie viel mit Mitschüler*innen verglichen. "Ich war ganz schlecht in Mathe, aber in anderen Fächern relativ gut. Da wurde mir immer gesagt, dass ich dafür in allem anderen richtig perfekt sein muss."
"Wir vergleichen uns, weil wir nicht isoliert leben, sondern in soziale Systeme eingebunden sind."
Die Studentin versucht in solchen Momenten der Unsicherheit, sich selbst zu beruhigen: "Ich versuche, mich zu besinnen und mir zu sagen, dass ich mir wichtiges Wissen ja auch noch aneignen kann, dass alles halb so schlimm ist."
Sich zu vergleichen, ist ganz normal. Schon als Kind lernt man vor allem über den Abgleich und das Verhalten der Eltern, erklärt die Soziologin und systemische Coachin Maja Günther: "Wir vergleichen uns, weil wir ja nicht isoliert leben, sondern in soziale Systeme eingebunden sind." Da müssen wir lernen, uns anzupassen und unseren Platz zu finden – und dazu brauchen wir andere Menschen.
Maja Günther sagt, Vergleiche gibt es auf unterschiedlichen Ebenen:
- Aufwärts-Vergleich, mit Vorbildern oder Idolen
- Abwärts-Vergleich, zum Beispiel bei Reality-TV
- Horizontal-Vergleich, mit uns ähnlichen Menschen
Was gegen schadhafte Vergleiche hilft
Immer häufiger beobachtet die Coachin aber auch den Vergleich mit dem eigenen Idealbild. "Das heißt, wir vergleichen uns mit der Vorstellung, wie wir gerne sein würden. Und dann versuchen wir, diesem Ideal möglichst nahe zu kommen", erklärt sie.
Wir können uns aber auch mit einer undefinierten Gruppe vergleichen. „Man macht das so“ nennt sie als typische Phrase für so einen Vergleich. "Das läuft oft auf einer ganz unbewussten Ebene ab."
Überhaupt sind Vergleiche oft nicht bewusst, zum Beispiel in Social Media. Das kennt auch Alexandra. Sie hat deshalb auch schon einmal eine dreiwöchige Pause von sozialen Medien eingelegt.
Alexandra weiß, dass Social Media nur ein Ausschnitt ist
"Es ging mir auch wirklich gut damit", sagt sie. Denn sie vergleicht sich oft mit Menschen in Social Media: etwa wenn eine Freundin wieder schick essen war oder wenn jemand zum gefühlt dritten Mal im Jahr verreist.
"Natürlich ist das nur ein kleiner Ausschnitt aus ihrem Leben. Man sieht ja nicht, womit die Leute gerade vielleicht strugglen", sagt Alexandra. Dennoch kann es belasten, alleine zu Hause zu hocken, während es draußen regnet und niemand Zeit hat, während andere im Urlaub sind.
Junge Frauen eher betroffen
Wir vergleichen uns natürlich nicht nur mit anderen, andere vergleichen sich auch mit uns. In Sachen Nachhaltigkeit zum Beispiel ist Alexandra immer wieder eine Inspiration für ihre Freundinnen. Sich zu vergleichen, kann also auch positive Seiten haben – wenn wir aus dem Vergleich mit anderen für uns Motivation und Impulse ziehen.
In den Sozialen Medien gibt es die Tendenz zum Aufwärts-Vergleich, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Jana Dombrowski. Studien legten zudem nahe, dass junge Frauen stärker von solchen schadhaften Vergleichen betroffen sind, vor allem in den Bereichen Schönheit und Körperbild.
Forschung fokussiert sich auf negative Aspekte
Das kann dazu führen, dass sich manche weniger wohl in ihrem Körper fühlen. Auch Depressionen und Ängstlichkeit können stärker ausgeprägt sein, wenn man sich stark mit anderen vergleicht. Dennoch betont Jana Dombrowski, dass man durch Vergleiche auch einen positiven Selbstwert aufbauen kann.
Der Fokus der Forschung lag nur bislang eher auf den negativen Seiten, sagt sie: "Wenn neue Technologien aufkommen, will man erst einmal verstehen, wo die Probleme liegen. Erst im Nachgang beschäftigt man sich dann mehr mit den positiven Effekten."
"Wir sind den Inhalten niemals komplett ausgeliefert."
Sich mit anderen zu vergleichen, ist also ein Mechanismus, der tief in uns verankert ist – und der auch wichtig ist, um sich zu orientieren. "Aber wir sind den Inhalten niemals komplett ausgeliefert", sagt Jana Dombrowski.
"Es hilft, sich aktiv mit Inhalten zu umgeben, die einem gut tun", ergänzt sie. Sie empfiehlt, sich selbst zu beobachten: Lösen Inhalte oder Accounts schlechte Gefühle bei mir aus? Dann einfach entfolgen, blockieren, stummschalten. Denn: "Das ist ein Vorteil von sozialen Medien, den man gerne nutzen darf".
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