Wer an die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer denkt, denkt zuerst an die Küstenwache. Aber schon seit einiger Zeit kommen auch ganz normale Handelsschiffe zur Hilfe, wenn sie bei einem Unglück in der Nähe sind. Allerdings sind die Retter mit der Situation oft völlig überfordert. Jetzt schlägt der Verband Deutscher Reeder Alarm.
Wenn die italienische Küstenwache einen Notruf absetzt, dann überprüft sie als Erstes, welches Schiff in der Nähe ist. Das wird angefunkt und soll helfen, bis Unterstützung eintrifft. 2014 haben die Besatzungen von Handelsschiffen insgesamt 40.000 Flüchtlinge gerettet. Jetzt fordert der Verband Deutscher Reeder von Angela Merkel öffentlich mehr Unterstützung. Weil die Situation sehr kompliziert ist.
15 Mann für 200 Flüchtlinge
Bei ruhigem Wetter und wenn die Flüchtlinge in Schlauchbooten sitzen, gelingt es in der Regel ohne größere Probleme, sie an Bord zu holen. Allerdings sind auch diese Menschen oft krank und entkräftet, erklärt Ralf Nagel vom Verband Deutscher Reeder. Zwar sind an Bord der Frachtschiffe meist Lebensmittel und Wasser für kurze Zeit vorhanden. Mit der medizinischen Versorgung für viele Menschen sieht es aber schlecht aus. 10 bis 15 Mann Besatzung müssen sich dann um 150 bis 200 Flüchtlingen kümmern.
"Die Besatzungen müssen zusehen, wie Menschen ertrinken."
Noch dramatischer wird die Lage, wenn ein seeuntaugliches Fischerboot gekentert ist. Die Besatzung des herbeigeeilten Handelsschiffes muss dann oft hilflos mitansehen, wie zahlreiche Flüchtlinge ertrinken. Und auch wenn es gelingt, einige Schiffsbrüchige an Bord zu holen, sind die oft so unterkühlt oder geschwächt, dass sie nach ein oder zwei Stunden sterben.
Die Forderung der deutschen Reeder ist deshalb klar: mehr staatliche Rettungskapazität im Mittelmeer. Italiens Küstenwache sei überfordert, wenn sie auf sich gestellt ist. Eine Rückmeldung aus der Politik, dass in absehbarer Zeit mehr Hilfe zu erwarten ist, haben die Reeder noch nicht bekommen. Es sei auch nicht damit getan, die Mittel für Seenotrettung zu verdoppeln, sagt Ralf Nagel. Wichtig ist für ihn etwas ganz anderes: dass schnell etwas geschieht.