Die meisten von uns haben Angst vor Leere im Kopf - wir setzen sie gleich mit Langeweile. Dabei zeigen verschiedene Tests, dass wir glücklich sind, wenn wir uns in einem Zustand befinden, in dem wir nicht denken müssen.

Wir sind evolutionsbedingt so geeicht, dass wir immer auf Gefahren aus unserer Umwelt gefasst sind, sagt Jörg Zittlau. Deswegen "sammelt" unser Gehirn Informationen aus unserer Umgebung - ja, fordert diese sogar ein. Wir sind "katastrophisch" eingestellt, sagt der Wissenschaftsjournalist:

"Generell wird Leere von Menschen als Bedrohung erlebt. Leute zwischen 16 und 20 Jahren wurden befragt, ob sie lieber ein Smartphone oder den Partner auf eine einsame Insel mitnehmen wollen. 70 Prozent haben sich für das Handy entschieden, obwohl nicht geklärt war, wo sie es anschließen können."

Wir sehen überall nur die Gefahr, selbst, wenn wir ins Büro kommen und unsere Kollegen treffen. In der Psychologie nennt man das die Verteidigungsysteme, die immer hochgefahren sind. Das kostet natürlich auch Kraft. Und selbst, wenn wir allein sind - und uns keine Sorge um Gefahren machen müssten - füttern wir unser Gehirn ständig mit Informationen: mit dem Smartphone, mit Musik, mit dem Fernseher.

"In einem Experiment hat man Leuten gesagt, dass sie in einem leeren Raum sitzen sollen und nichts tun müssten, um ihr Geld zu bekommen. Im Zimmer lag noch ein Elektroschockgerät. Die Versuchspersonen - besonders die Männer - haben sich selbst Elektroschocks verpasst, um die Zeit zu überbrücken."

Es gibt kaum einen Augenblick, in dem wir innehalten. Selbst im Schlaf träumen wir. Dabei beginnen wir das Leben in einer ruhigen, isolierten Grundsituation im Mutterleib. Unser Gehirn kennt diesen Zustand und wir können und sollten ihn sogar herbeiführen, weil verschiedene Tests gezeigt haben, dass es uns glücklich macht, nicht denken zu müssen und uns von unserer Umwelt losgelöst zu fühlen. Wissenschaftsjournalist Jörg Zittlau und der Neurobiologe Niels Birbaumer haben diese Erkenntnisse in ihrem Buch "Denken wird überschätzt: Warum unser Gehirn die Leere liebt" festgehalten.

"Wir müssen die Leere aktiv einschalten, die kommt nicht ohne weiteres"

Im Schlaf herrscht auch keine Ruhe im Kopf - wir träumen. Um Leere in den Kopf zu bekommen, gibt es verschiedene Methoden. Jorg hat sich zum Beispiel in einen Floating Tank begeben, um sich in den Zustand eines Embryos im Mutterleib zu versetzen. Er lag für eine Stunde in einem schallisolierten, abgedunkelten Tank, der mit Salzlake gefüllt war.

Losgelöst im Floating Tank

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"Menschen können sich nicht vorstellen, irgendwo herumzuliegen und von Maschinen am Leben gehalten zu werden - 30 Prozent haben schon eine Patientenverfügung, in der drinsteht, "schaltet mich ab", obwohl wir nicht wissen, wie es uns in solch einer Situation überhaupt geht."

Er schwebte im Wasser und verlor dadurch auch für den Moment einen Teil seines Körpersinns. Dieser Zustand, in dem viele Sinne ausgeschaltet sind, erzeugte ein Glücksgefühl und Jörg wollte den Tank gar nicht mehr verlassen, als die Stunde vorbei war.

"Locked-in-Patienten sind im Durchschnitt glücklicher als wir"

Niels Birbaumer hat Experimente mit Locked-in-Patienten durchgeführt. Das sind Menschen, die körperlich gelähmt sind, nicht mit anderen Menschen kommunizieren und oft sogar noch nicht einmal mehr sehen können. Er hat es mithilfe der Neurofeedback-Methode geschafft, mit diesen Menschen zu kommunizieren.

"Über diese Kommunikation mit diesen Locked-in-Patienten hat Niels Birbaumer erfahren, dass sie eine bemerkenswert hohe Lebensqualität haben. In einem Versuch haben die sogar eine höhere Lebensqualität gezeigt als wir Durchschnittsmenschen."

Der Neurobiologe Niels Birbaumer hat auch Selbstversuche mit dem südamerikanischen Pfeilgift Curare durchgeführt. Das Gift löst eine komplette Körperlähmung aus - daran kann man dann auch Ersticken. Der Wissenschaftler hatte einen Anästhesisten dabei, der ihn während des Experiments künstlich beatmet hat. Das Ergebnis: Durch den Verlust des Körpergefühls, ist auch unser Ich-Gefühl ein anderes - wir werden in unserem Empfinden ein Teil des Kosmos, und das löst ein immenses Glücksgefühl aus.

Shownotes
Hirnforschung
Leere im Kopf macht glücklich
vom 25. September 2016
Moderator: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Jörg Zittlau, Wissenschaftsjournalist und Buchautor