400.000 Wohnungen sollen pro Jahr neu gebaut werden, war der Plan der Bundesregierung. Er ist gescheitert. Und es wird nicht besser: Wegen hoher Baukosten und Zinsen hat der Konzern Vonovia gerade angekündigt, alle Neubauprojekte 2023 zu stoppen.

Die an einem Bauprojekt beteiligten Firmen finanzieren relativ viel fremd, erklärt Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Sie besitzen das notwendige Geld also nicht selbst, sondern leihen es sich bei einer Bank. Oft seien das 80, 90, manchmal sogar 100 Prozent des gesamten Kapitals.

"Die Bauzinsen haben sich binnen eines Jahres ungefähr verdreifacht."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Tatsächlich haben sich die Bauzinsen binnen eines Jahres ungefähr verdreifacht. Dass Zinssteigerungen wie die aktuellen da massiv ins Gewicht fallen, ist klar.

Baumaterial ist gerade sehr teuer

Auch das Baumaterial ist laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr deutlich teurer geworden: Stahl um 40 Prozent, Glas um 50 Prozent, Bitumen, Spanplatten und Holz um 20, 30, 40 Prozent.

Um diese Kostensteigerungen wieder in die Kasse zu spülen, müssten die Mieten laut Vonovia eigentlich massiv erhöht werden – auf ungefähr 20 Euro pro Quadratmeter. Das sei aber flächendeckend nicht durchsetzbar. Was der Markt eigentlich bräuchte, sind Mieten von etwa 10, 11 oder 12 Euro pro Quadratmeter. Das sei aber derzeit zu dem Preis nicht zu bauen, so der Vonovia.

"Zur Wahrheit gehört aber auch: Vonovia verdient gerade richtig gutes Geld."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Trotzdem verdient der Wohnungsbaukonzern gerade richtig gutes Geld, betont Nicolas Lieven. Er besitzt nämlich etwa 500.000 Bestandswohnungen, die zum Teil sehr billig gebaut wurden – und dort steigen die Mieten jetzt natürlich auch.

Krise verschärft sich ohne Baumaßnahmen weiter

Wenn Bauriesen wie Vonovia jetzt nicht weiter bauen, wird sich die Lage am Wohnungsmarkt noch weiter verschärfen, sagt Nicolas Lieven.

"Die Lage wird sich einfach noch weiter verschärfen und die Mieten werden weiter steigen."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Denn auf der einen Seite steigt der Bedarf an Wohnungen sogar noch: Zu denen, die ohnehin suchen, kommen Zugewanderte und Flüchtlinge aus der Ukraine.

Und Vonovia ist nur ein Big Player – auch viele andere Baukonzerne haben schon Überlegungen angestellt, ihre Bauvorhaben auf Eis zu legen. Die Zahl der Baugenehmigung ist deutlich zurückgegangen. Und in der Baubranche selbst glaubt man nicht so bald an eine Kehrtwende, sagt Nicolas Lieven.

Vorteil: Schneller Termin beim Handwerker

Wenn ihr jetzt schon in einer Wohnung wohnt, vielleicht irgendwas kaputt ist und ihr einen Handwerker sucht – dann war das in der letztem Zeit oft ein echtes Problem und man musste teils monatelang auf einen Termin warten. Wenigstens da könnte sich die Situation jetzt etwas entspannen, wenn insgesamt weniger gebaut wird und mehr Kapazitäten frei werden, sagt Nicolas Lieven. Das betrifft auch Heizungsbauer, Installateure von Solaranlagen oder Experten für Wärmepumpen, auf die ja gerade viele umsteigen.

Baukonzerne wollen Druck auf die Politik erhöhen

Wenn Vonovia verkündet, erst Mal nicht mehr zu bauen, dann soll das natürlich Druck machen auf die Politik, sagt Nicolas Lieven. Die Bundesregierung könne zwar an den Zinsen und Baupreisen nichts ändern, sie habe allerdings andere Möglichkeiten, um den Wohnungsbau anzukurbeln: etwa, indem sie weitere Fördermilliarden für den sozialen Wohnungsbau und für energieeffiziente Sanierungen und Neubauten frei mache.

Die FDP will die Bauanträge digitalisieren, damit alles schneller geht. Und die Grünen wollen den Leerstand verringern und vielleicht auch Büroräume als Wohnungen nutzen. All das geht aber nicht so richtig schnell voran.

Shownotes
Immobilien
Warum sich der Bau neuer Wohnungen gerade nicht lohnt
vom 04. Februar 2023
Moderation: 
Anna Kohn
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist