Die Menschen in Indien protestieren gegen das neue Staatsbürgerschaftsgesetz der indischen Regierung. Diese arbeitet mit Gewalt und Druck, um Demonstrationen einzudämmen. Immer wieder kommt es auch zu Internetsperren. Mehr als 100 Mal hat die indische Regierung das Netz in diesem Jahr blockiert

Etliche tausend Protestierende gehen in Indien zurzeit auf die Straße und demonstrieren gegen ein neues Gesetz der indischen Regierung. Durch das Gesetz sollen illegal in Indien lebenden Geflüchtete aus Pakistan, Afghanistan und Bangladesch einfacher zu einer indischen Staatsbürgerschaft kommen. Geflüchtete Muslime schließt das Gesetz aber aus.

Denn die indische Regierung meint: Pakistan, Afghanistan und Bangladesch sind muslimisch geprägte Länder, der Islam ist dort eine Staatsreligion – im Vergleich zu Menschen mit einer anderen Religion, würden Muslime dort nicht verfolgt werden.

"Die Menschen gehen nicht nur auf die Straße, weil sie sich für Flüchtlinge einsetzen wollen, sie wollen Gesetze verhindern, die aufgrund der Religionszugehörigkeit erlassen werden."
Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin in Neu Delhi

Der Großteil der Demonstrierenden sieht die säkulare Demokratie Indiens durch das Gesetz angegriffen, erzählt Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin in Neu Delhi. Religion, als Basis für Gesetze zu nutzen, gebe die indische Verfassung nicht her. Vor allem deswegen demonstrieren Zehntausende eher linke, liberale Demokraten – der Großteil von ihnen sind Studierende.

Sie würden damit zum ersten Mal ein Zeichen gegen die hindunationalistische Regierung setzen, sagt Silke Diettrich. Die Bürgerinnen und Bürger Indiens zeigen: Ein Hindustaat sei für sie keine Option.

Mit allen Mitteln Demonstrationen eindämmen

Darauf reagiert die indische Regierung mit Druck und Gewalt: Polizisten prügeln auf Protestierende ein und nehmen sie fest. Ein Versammlungsverbot soll sie von weiteren Demonstrationen abhalten. Besonders für junge Inderinnen und Inder sei das Versammlungsverbot ein harter Schritt, sagt Silke Diettrich. Denn: Mit der Festnahme erhalten sie einen Eintrag in ihr Führungszeugnis. Später einen Job zu finden, könnte für sie schwierig werden.

"Die Regierung hat Angst vor ihrer eigenen Bevölkerung und deshalb verhaften sie uns. Davon lassen wir uns nicht einschüchtern. Das Gesetz verstößt gegen unsere säkulare Demokratie und die müssen wir wahren."
Studentin auf einer Demonstration

Zudem hat die indische Regierung am 19. Dezember das Internet abgeschaltet – schon wieder. Für sie sei das ein Mittel, um die Lage im Land ruhig zu halten und das Verbreiten von Fake News zu verhindern, wie die indische Onlineplattform scoopwhoop.com schreibt. Offiziell gehe es ihr um die politische Stabilität und öffentliche Ordnung.

Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Reporter
"In keinem anderen Land der Welt ist die Zahl der Internetshutdowns so hoch wie in Indien."

Laut dem Software Freedom Law Centre India ist es in diesem Jahr zu 101 Internetsperren gekommen, 2018 waren es 134. Damit ist Indien weltweit das Land mit den meisten Shutdowns. In vielen Fällen seien die Sperren auch präventiv. Das bedeutet: Werden Demonstrationen erwartet, kommt es zu einem Internetausfall in Indien.

Silke Diettrich schätzt, dass die indische Regierung weiter hart bleiben wird und es nicht zu einer Rücknahme des Gesetzes kommt.

Shownotes
Proteste in Indien
Mit Gewalt und Internetshutdowns Druck ausüben
vom 20. Dezember 2019
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin in Neu Delhi
Gesprächspartner: 
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Reporter