Viele Deutsche wollten den Menschen aus der Ukraine helfen, als sie nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf der Flucht waren. Eine Studie zeigt jetzt, welchen positiven Effekt diese Hilfsbereitschaft für die Integration hatte.
Als Tania in Berlin am Hauptbahnhof ankommt, ist sie völlig erschöpft. Sie hat ihre beiden Söhne bei sich. Ein Zug aus Warschau hat sie nach Berlin gebracht zusammen mit Hunderten anderen Menschen. Sie alle bewegen sich abgekämpft und müde mit ihren Koffern, Plastiktüten und Haustieren in Richtung der Helfer*innen in den bunten Westen.
Es ist Anfang März 2022. Kurz vorher hat Russland die Ukraine großflächig angegriffen. Tania ist mit ihren Söhnen aus Odessa, im Süden des Landes, vor dem Krieg geflohen. Wie es in Berlin weitergeht oder was sie dort erwartet, weiß sie nicht.
Am Bahnhof trifft sie dann aber auf eine Frau, die ihnen anbietet, erstmal bei ihr zu leben. "Ich bin ihr wie ein Roboter gefolgt, ohne zu sehen, wo wir hinfuhren. Ich habe die Jungs gewaschen, mich selbst geduscht und einfach nur geschlafen", erinnert sich Tania heute.
"Wenn eine Person Verantwortung für eine andere übernimmt, macht das vieles leichter."
Die Frau aus Berlin hilft ihr mit der Registrierung und den nötigen Dokumenten. Sie nimmt die drei für die ersten Monate bei sich auf. Seitdem ist viel passiert. Tania hat Deutsch gelernt und eine Weiterbildung zur Finanzbuchhalterin gemacht. Berlin ist ihre zweite Heimat geworden, sagt sie.
Dafür ist Tania ihrer Helferin sehr dankbar. "Ich werde das niemals vergessen! Deutschland hat uns sehr warm umarmt", sagt sie. Tania wurde also von Anfang an willkommen geheißen und man hat ihr direkt geholfen – persönlich und auf Augenhöhe.
Hilfsbereitschaft und Integration
Welchen Einfluss es für die Integration haben kann, wenn geflüchtete Menschen bei Privatmenschen unterkommen statt in staatlichen Unterkünften, zeigt jetzt eine neue Studie. Unter Mitarbeit des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) haben Forschenden dafür auf Daten einer Plattform zurückgegriffen, die mehr als 60.000 Ukrainer*innen an private Gastgeber vermittelt hat.
Mit 1700 Geflüchteten haben die Studienautor*innen außerdem eine Umfrage durchgeführt. Im Anschluss haben sie die Daten derer, die privat untergebracht wurden, mit denjenigen verglichen, die in einer staatlichen Unterkunft gelebt haben oder in einer Unterkunft, die sie selbst gemietet haben.
Das Gefühl, willkommen zu sein
Das Ergebnis halten die Forschenden für eindeutig: Die Ukrainer*innen, die wie Tania privat bei Menschen gewohnt haben, haben sich auch ein Jahr nach ihrer Ankunft willkommener in Deutschland gefühlt, sie hatten mehr soziale Kontakte zu Deutschen und waren im Alltag allgemein besser organisiert, zum Beispiel was Arztbesuche oder die Jobsuche betrifft, sagt Niklas Harder. Er ist Co-Autor der Studie.
"Die Zivilgesellschaft kann den Staat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben noch viel mehr unterstützen, wenn der Staat das zulässt."
Die Privatunterbringung hatte also einen positiven Einfluss auf ihre Integration. Daraus kann man ableiten, dass "die Zivilgesellschaft den Staat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben noch viel mehr unterstützen kann", so Niklas Harder. Diese Hilfe müsse der Staat aber zulassen. Es geht also um die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die Ukrainer*innen durften damals nämlich frei wählen, wo in Deutschland sie hin möchten. Das war möglich, weil 2022 die sogenannte Massenzustromrichtlinie zum ersten Mal aktiviert wurde. Dadurch wurden die Menschen aus der Ukraine nicht wie andere Geflüchtete automatisch auf Bundesländer verteilt, in denen sie möglicherweise weder Kontakte noch Perspektiven hatten. Solche Möglichkeiten sollten auch für andere geschaffen werden, empfehlen die Forschenden.
Tania hat selbst erfahren, was das bedeutet. Für sie ist es wichtig, füreinander da zu sein. Darum arbeitet sie ehrenamtlich bei der Berliner Tafel. "Wenn eine Person Verantwortung für eine andere übernimmt, macht das vieles leichter", findet sie.
Hinweis: Das Bild oben im Header ist ein Symbolbild. Es zeigt nicht Tania, sondern eine Situation am Berliner Hauptbahnhof im März 2022: Eine Freiwillige hilft wei Frauen, die aus der Ukraine geflohen sind.
