Fast zehn Millionen Menschen in Deutschland dürfen nicht wählen, obwohl sie über 18 sind und ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Die Initiative "Nicht ohne uns 14 Prozent" will das ändern.
Sie ist nicht die erste Initiative, die das Wahlrecht für Migrant*innen fordert, aber weil sich nichts geändert hat, bleibt das Thema aktuell. Der Name der Initiative, "Nicht ohne 14 Prozent", bezieht sich auf den Bevölkerungsteil, dem das Wahlrecht verwehrt bleibt. Fast zehn Millionen Menschen dürfen bei Bundestagswahlen nicht abstimmen, weil sie keinen deutschen Pass haben. Auch bei Landtagswahlen sind sie ausgeschlossen, in Nordrhein-Westfalen betrifft das rund 2,5 Millionen Menschen.
Laut der Initiative sollte eine Voraussetzung allerdings erfüllt sein: Seit mindestens fünf Jahren sollte der Migrant oder die Migrantin ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben.
"Es zeigt auch, wie die Menschen in Deutschland je nach ihrer Staatsangehörigkeit behandelt werden, und zwar wie Bürger*innen zweiter Klasse."
Sanaz Azimipour möchte in Deutschland wählen dürfen und hat die Online-Petition "Nicht ohne uns 14 Prozent: Wahlrecht für alle in Deutschland lebenden Menschen" gestartet. Die 29-Jährige findet, dass auch Minderheiten politisch mitbestimmen sollen. Menschen, die beispielsweise nur einen türkischen, polnischen oder syrischen Pass haben, dürfen bei Bundes- und Landtagswahlen nicht wählen, sind aber von den Entscheidungen genauso betroffen.
Form der strukturellen Diskriminierung
Für Sanaz Azimipour zeigt sich bei dem Thema, wie in Deutschland Menschen behandelt werden, die von Rassismus betroffen sind. Aus ihrer Sicht werden sie "institutionell und systematisch aus diesem System ausgeschlossen". Solange das so sei, könne es auch keine wirkliche Antirassismus-Politik geben.
Für nichtdeutsche EU-Bürger*innen gebe es zumindest die Möglichkeit bei Kommunalwahlen zu wählen. Aber eigentlich sollte es keine Rolle spielen, welches Land im Pass einer Person stehe, um mitbestimmen zu dürfen, so die Initiative.
Grundgesetz bestimmt, wer deutsch ist
Wer in Deutschland wählen darf, ergibt sich aus dem Grundgesetz, erklärt Hermann Heußner, Professor für öffentliches Recht. In Artikel 116 Grundgesetz heißt es: Deutsch ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Damit war ein "Ausländer-Wahlrecht" aus Sicht des Verfassungsgerichtes ausgeschlossen. Um das im Grundgesetz zu ändern, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
"Nach meiner Einschätzung ist es so, dass die konservativen Parteien in Deutschland das im Wesentlichen ablehnen, sodass eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat in weiter Ferne stehen – politisch."
Aus Sicht des Juristen gebe es nur die Möglichkeit über die Einbürgerung, die Migrant*innen ein Wahlrecht eröffne. Die Einbürgerung könnte deutlich erleichtert werden, zum Beispiel könnte die Mindestaufenthaltsdauer von acht auf fünf Jahre verkürzt werden. Größte Hürde sei aber, dass die alte Staatsangehörigkeit aufgeben werden muss.