Am 24. Oktober 1922 verkündet Benito Mussolini, das Land sei an dem "Punkt angelangt, wo entweder der Pfeil seinen Bogen verlässt oder die zu straff gespannte Sehne den Bogen zerbricht." Drei Tage später besetzen die "Schwarzhemden" kommunale Einrichtungen im ganzen Land. Tausende Anhänger versammeln sich vor den Toren Roms.

Seit Monaten schon haben die sogenannten "Schwarzhemden" der Partito Nazionale Fascista in Italien Angst und Schrecken verbreitet. Die Faschisten unter der Führung von Benito Mussolini prügeln auf streikende Arbeiter. Sie versuchen außerdem, die öffentliche Ordnung lahmzulegen und sich anschließend als Retter aus diesem Chaos darzustellen. Sie wissen es für sich zu nutzen, dass weite Teile der italienischen Bevölkerung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs das Vertrauen in den Staat und die Regierung verloren haben.

Traum von der Herrschaft über den Ostadriaraum

Italien ist an der Seite der alliierten Entente mit dem Versprechen in den Krieg eingetreten, nach einem siegreichen Ende mit Südtirol bis zum Brenner, mit Dalmatien an der kroatischen Adriaküste, mit Korsika, San Marino sowie Trient und Istrien entlohnt zu werden.

Aber im Vertrag von St. Germain werden nur Teile dieser Gebietserweiterungen verabredet. Der italienische Traum von der Herrschaft über den Ostadriaraum muss ebenso begraben werden wie die Ausweitung des italienischen Kolonialbesitzes. Und das machen sich die Faschisten zunutze.

"Italien, das Mutterland des Faschismus, ist nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ein Land multipler Krisen: wirtschaftlich, sozial und politisch. Und es gibt einen aufgepeitschten Nationalismus – der auch eine Folge des Krieges ist."
Thomas Schlemmer, Historiker am Münchner Instituts für Zeitgeschichte

Unermüdlich propagieren die Faschisten, dass nur mit ihnen ein starkes Italien entstehen kann. Dabei grenzen sie Minderheiten aus und zeichnen das Bild eines neuen Menschen, den sie in Italien erschaffen wollen. Im Sommer und Herbst 1922 verstärken die Faschisten sowohl ihren Terror als auch ihre Propaganda, nun endlich an die Macht kommen zu müssen – notfalls mit Gewalt.

Am 24. Oktober verkündet Benito Mussolini, das Land sei an dem "Punkt angelangt, wo entweder der Pfeil seinen Bogen verlässt oder die zu straff gespannte Sehne den Bogen zerbricht. Legalität oder Illegalität."

"Marsch auf Rom" - eine Inszenierung

Drei Tage später besetzen die "Schwarzhemden" kommunale Einrichtungen im ganzen Land, Tausende Anhänger versammeln sich vor den Toren Roms. Der Ausnahmezustand wird verhängt, die Regierung unter Luigi Facta tritt zurück und macht den Weg für Benito Mussolini frei.

Der kommt am Morgen des 30. Oktober 1922 im Nachtzug von Mailand nach Rom und inszeniert einige Tage später in den Straßen der italienischen Hauptstadt einen "Marsch auf Rom", den es tatsächlich nie gegeben hat.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Der Historiker und Buchautor Hans Woller beschreibt Benito Mussolini.
  • Der Historiker und Faschismus-Experte Ulrich Thamer erläutert die Politik des italienischen Faschismus.
  • Der Historiker des Münchner Instituts für Zeitgeschichte Thomas Schlemmer erklärt die Besonderheiten des Faschismus in Italien.
  • Der ARD-Korrespondent Jörg Seisselberg begibt sich auf Spurensuche nach der faschistischen Vergangenheit im modernen Italien.
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld beschreibt die Situation in Italien nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Esther Körfgen beschreibt die Rolle der faschistischen Kampfverbände am Vorabend der Machtübertragung an Mussolini.
Shownotes
Italienischer Faschismus
Mussolinis "Marsch auf Rom"
vom 21. Oktober 2022
Moderation: 
Meike Rosenplänter
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte
  • Hans Woller
  • Hans-Ulrich Thamer
  • Thomas Schlemmer
  • Jörg Seisselberg