Tendenziell ist die Hälfte der Menschen mit der eigenen Arbeitssituation unzufrieden, sagt die Arbeitssoziologin Julia Gruhlich. Fabian hat erst seine Arbeitszeit reduziert, dann den Job gekündigt und engagiert sich inzwischen mehr sozial.

Vollzeit im Digital-Marketing den Bereich Diversity und Inclusion noch obendrauf und dann führte Fabian den folgenden inneren Monolog: "Was mache ich dann eigentlich noch neben dem Arbeiten? Nichts. Mich auf Arbeit vorbereiten oder mich von Arbeit erholen". Das hat er inzwischen geändert.

"Wir können davon sprechen, dass ich einfach keine Energie hatte. Einfach immer platt."
Fabian über seine arbeitsbedingte Erschöpfung

Fabian hat seine Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert. Das Ergebnis? Er hat die Arbeit von fünf Tagen in vieren erledigt und braucht die restlichen drei Tage der Woche dann komplett zur Erholung.

Erst Arbeitsreduktion, dann Neuorientierung

"Es hat nicht funktioniert, weil ich einfach drei Tage lang platt war", sagt er heute. Schließlich hat er seinen Job aufgegeben und orientiert sich jetzt neu.

"Mir geht es jetzt sehr gut. Ich merke aber, dass ein bisschen Produktivität fehlt. Und auch so eine Art Wertschöpfung oder Ergebnisschöpfung."
Fabian über den Ausstieg aus seinem Bürojob

Einen Teilzeitjob im Büro, so zwei Tage wöchentlich vielleicht und zusätzlich weitere Aufgaben, in diese Richtung gehen seine Überlegungen. Bereut hat er die Entscheidung nicht. Er nimmt Klavier- und Gesangsunterricht, engagiert sich als Lesementor und macht eine Therapie.

Fabian vermutet, es wäre hilfreich gewesen, wenn er in seiner Firma mehr Unterstützung bekommen hätte. Zusätzlich hätte begleitende externe Hilfe seine Arbeitszeitreduktion vielleicht etwas besser begleiten können.

Downshifting als Ende vom Leid

Die Unzufriedenheit mit der persönlichen Arbeitssituation, die Fabian entwickelt hat, ist für rund die Hälfte der arbeitenden Menschen typisch, sagt die Arbeitssoziologin Julia Gruhlich. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Diversitätsforschung an der Universität Göttingen.

Damit jemand Downshifting wirklich umsetzt, müsse es ihm oder ihr richtig schlecht gehen im Job. Die Menschen müssen Julia Gruhlichs Erfahrung nach erstmal – so wörtlich – richtig hart leiden, bevor sie diesen Schritt gehen.

"Tendenziell ist jede zweite Person in ihrer Arbeit unzufrieden und träumt von einem Wechsel oder einer Veränderung."
Julia Gruhlich, Arbeitssoziologin an der Georg-August-Universität Göttingen

Drei Themen führen ihrer Beobachtung nach zum freiwilligen Downshifting im Job: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Burnout und Sinnstiftung. Eines oder mehrere dieser Themen ist also in der Regel der Grund dafür, warum Menschen freiwillig auf Lohn, beruflichen Status oder Anerkennung verzichten, sagt sie.

Einen Ausweg bietet in manchen Fällen hybride Erwerbsarbeit, also die Aufnahme von zwei verschiedenen Tätigkeiten, wie sie sich auch Fabian vorstellen kann. Erst während der Fluchtbewegung aus dem beruflichen Leid, zeigten sich dann vielen Menschen neue berufliche Wege – davon ist Julia Gruhlich überzeugt.

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Shownotes
Downshifting
Wenn wir weniger arbeiten und mehr leben wollen
vom 16. Juni 2023
Moderation: 
Dominik Schottner
Gesprächspartner: 
Fabian hat bei seinem Job erst die Stunden reduziert, dann gekündigt
Gesprächspartnerin: 
Julia Gruhlich, Arbeitssoziologin, Georg-August-Universität Göttingen
  • Fabian hat bei seinem Job erst die Stunden reduziert, dann gekündigt
  • Arbeitssoziologin Julia Gruhlich über Downshifting