Unsichere Zeiten: Wie geht es weiter mit Corona? Was bringt dieses Jahr? Ein fester Arbeitsplatz könnte Sicherheit geben. Warum wollen dann laut einer Umfrage zwei Drittel der Befragten ihren Job wechseln? Die Arbeitspsychologin Tabea Scheel sieht gerade in der Pandemie den Grund dafür.
"Es gibt in der Pandemie Menschen, die merken, dass einfach alles anstrengend ist."
Zwei Jahre bestimmt die Pandemie nun so ziemlich alle Bereiche unseres Lebens, je nach Jahreszeit mal mehr oder mal weniger. Viele von uns macht das müde. Je nach dem in welchem Beruf wir arbeiten, kann das auch an körperliche Grenzen gehen. Viele fühlen sich aber auch mental oder emotional ausgelaugt.
Im Homeoffice Bindung zur Firma verloren
Manche haben vielleicht auch im Homeoffice die Bindung an ihr Unternehmen verloren, können sich nicht mehr so gut damit identifizieren und haben dadurch die Lust an ihrer Arbeit verloren. Die Motivation kann auch vor der Pandemie schon gesunken sein, aber da gab es wenigstens noch die Kollegen und Kolleginnen, mit denen wir uns austauschen konnten.
Oder die Unzufriedenheit mit dem Job existiert schon länger, aber erst jetzt in der Pandemie ist der Wunsch sich zu verändern, erst so richtig groß geworden. Bei manchen ist vielleicht erst durch die Langeweile zu Hause die Gelegenheit entstanden, auch mal über den Job nachzudenken und ob das alles noch so passt.
All diese Gedanken und Gefühlslagen haben bei zwei Dritteln von mehr als 1000 deutschen Befragten ergeben, dass sie ihren Job wechseln wollen. Das Marktforschungsunternehmen Appinio hat diese repräsentative Umfrage durchgeführt.
Vergleich mit vermeintlich Glücklicheren
Trotz dieses Ergebnisses glaubt die Arbeitspsychologin, dass sehr viele Menschen sehr froh darüber sind, einen Job zu haben. Meist würden sich die Menschen nicht mit denen, die gerade keinen Job haben, vergleichen, sondern mit denen, die einen vermeintlich besseren Beruf ausüben. Dieser Vergleich kann zu dem Wunsch führen, sich verändern zu wollen.
Wunsch nach Veränderung - Wunsch nach Kontrolle
In der aktuellen Lage ist der Arbeitsalltag für viele Menschen zäh. Eine typische Situation, in der wir uns Veränderung wünschen wie einen Jobwechsel, mit der wir eine gewisse Kontrolle über die Situation zurückerlangen und so auch die schwierige Situation für uns beenden, meint Tabea Scheel. Denn die Gesamtsituation können wir eher wenig oder gar nicht verändern.
Aber selbst wenn nicht in letzter Konsequenz der Jobwechsel vollzogen wird, können schon die Gedanken darüber uns eine gewisse Kontrolle über die Situation wiedergeben, erklärt die Arbeitspsychologin.
Checkliste für den Jobwechsel
Wer ernst machen will, sollte anhand von ein paar Fragen checken, ob ein Jobwechsel überhaupt die gewünschte Veränderung bringt:
- Habe wirklich ich ein Problem oder wird das an mich herangetragen?
- Bin ich neidisch auf eine andere Person, die mir vermeintlich glücklicher erscheint?
- Bin ich unzufrieden?
- Bin ich unterfordert?
- Bin ich überfordert?
- Was genau gefällt mir nicht an meinem Job?
- Ist es der Job, der mich stört, oder ist es das Unternehmen, für das ich arbeite?
"Ich muss erst einmal wirklich ganz doll herausfinden: Was ist wirklich der Kern des Problems?"
Wer sich vielleicht schon mit einem Bein bei einer anderen Firma bewirbt, dem rät Tabea Scheel, diese Entscheidung im Kopf zu Ende durchzuspielen:
- Habe ich die Voraussetzungen für den anderen Job?
- Muss ich noch eine Weiterbildung machen?
- Müsste ich umziehen?
- Was bin ich bereit, dafür in Kauf zu nehmen? (ungesichertes Jobverhältnis, weniger Geld, Probezeit)
Wer all diese Fragen für sich beantwortet hat, hat nach Ansicht von Tabea Scheel, meist ein recht sicheres Gefühl dafür, ob er oder sie diesen Schritt wagen soll.
Und sie ergänzt noch die Fragen-Checkliste:
- Was ist mein Ziel, was will ich erreichen durch den Jobwechsel?
- Wie soll sich mein Leben nach einem Jahr verändert haben?
- Was soll sich verbessert haben?
- Und letztlich: Ist es wirklich eine gute Idee, unter Pandmiebedingungen den Job zu wechseln? Wie ist das andere Unternehmen oder der Job nach der Pandemie?
Suche nach Erfüllung
Für manche Menschen ist es auch wichtig, durch den Job total ausgefüllt zu werden, weil er für sie Teil ihrer Persönlichkeit ist. Dadurch geraten sie in eine Überforderung, einem gewissen Ideal gerecht werden zu wollen.
Manchen hilft es auch, wenn ihnen das Bedeutsame an ihrem Job fehlt, nicht gleich den Job zu wechseln, sondern sich eventuell ehrenamtlich zu engagieren, und so diesen Mangel auszugleichen.
Manchmal, so Tabea Scheel, kann es auch helfen, einige Zeit abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt, und sich dann nochmal zu fragen, ob ein Wechsel nötig ist.