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Mit Mitte 20 wurde Samanta gesagt, dass sie keine Kinder bekommen kann. Ihr Gefühle fuhren Achterbahn und sie hatte Angst. Was macht das mit uns, wenn wir erfahren, dass wir unfruchtbar sind und wie gehen wir damit um?

Vielleicht wisst ihr nicht, ob ihr mal Kinder haben wollt. Oder ihr habt euch dagegen entschieden. Und dann, so Mitte 20, sagt euch jemand: Du bist unfruchtbar! So ging es Samanta. Kinder zu bekommen, war gar nicht ihr Lebenstraum. Eigentlich war sie sich sicher, dass sie gar keine haben will. Daran hat sich in diesem Moment eigentlich auch nichts geändert.

"Das war schon eine Achterbahnfahrt der Gefühle und hat auch sehr, sehr viele Ängste nochmal herumgewirbelt."
Samanta, ist mit 27 in die verfrühten Wechseljahre gekommen

Aber vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und die Wahl nicht zu haben, zu erfahren, dass es ihr medizinisch gar nicht möglich ist, das war für sie trotzdem ein Schock: "Es ist etwas anderes, wenn man sich selbst für etwas entscheidet.", sagt sie und erinnert sich: "Ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was das für Konsequenzen hat."

"Es wird einem die Entscheidung und somit auch die Kontrolle abgenommen, auch ein bisschen die Kontrolle über meine Zukunft."
Samanta, kann keine Kinder bekommen

Dass sie keine Kinder bekommen kann, hat Samanta mit Mitte 20 erfahren. Damals war sie in die verfrühten Wechseljahre gekommen, Ursache war eine Krebsbehandlung. Eigentlich konnte sie das nach dem ersten Schreck ganz gut annehmen, erzählt sie. Aber dann kam der Freundinnenkreis in das Alter, in dem Kinderkriegen mehr und mehr zum Thema wurde. Da kam dann die Unsicherheit.

"Das hat Unsicherheiten verursacht, wie zum Beispiel, dass ich dann so ein bisschen alleine zurückbleibe oder welche Rolle ich dann überhaupt in meinem Umfeld spiele."
Samanta, ist mit 27 in die verfrühten Wechseljahre gekommen

Bis dahin war die Unfruchtbarkeit noch irgendwie abstrakt, erzählt Samanta. Aber jetzt merkte sie, dass sich tatsächlich etwas verändern wird.

Unfruchtbarkeit bei jungen Menschen nimmt zu

Samanta ist nicht allein. Infertilität, also Unfruchtbarkeit, bei unter 30-jährigen Männern und Frauen nimmt zu, sagt Melisa Gülhan Inci-Turan, Direktorin der Frauenklinik am Klinikum Dortmund. Die Gründe dafür sind unklar, ergänzt sie.

Vermutet werden etwa Umwelteinflüsse oder die Zunahme von Übergewicht und Krankheiten wie Adipositas. Aber: Keine Panik – nach wie vor ist Unfruchtbarkeit eher selten und die Zunahme ist langsam.

Gründe für Unfruchtbarkeit bei jungen Menschen

Bei jungen Männern ist der häufigste Grund für Unfruchtbarkeit ein zu spät erkannter Hodenhochstand oder die generelle Abwesenheit von Spermien, bei jungen Frauen Endometriose, erklärt die Ärztin.

10 bis 15 Prozent der jungen Frauen im reproduktiven Alter, also in dem Zeitraum, in dem sie schwanger werden können, sind daran erkrankt, sagt sie. Von den unfruchtbaren Frauen in dieser Lebensphase haben 30 bis 50 Prozent diese Erkrankung.

Und wenn Endometriose "sehr spät therapiert wird oder nicht therapiert wird, führt das dazu, dass die Eileiter verkleben, dass die Eizelle gar nicht durch den Eileiter wandern kann oder die Gebärmutter so erkrankt ist, dass sie auch keine Kinder mehr austragen kann", so Melisa Gülhan Inci-Turan.

Wie umgehen mit Unfruchtbarkeit?

Schon für junge Menschen wie Samanta, die keinen Kinderwunsch haben, ist es schwer, erfahren zu müssen, nicht fruchtbar zu sein. Wie ist es dann erst für Menschen, die gerne Eltern werden wollten? Und was kann helfen?

Neben Wut und Traurigkeit empfinden die Betroffenen oft auch eine große Verzweiflung, Enttäuschung und das Gefühl einer Ungerechtigkeit, sagt Anja Falat, psychologische Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Krisen rund um Kinderkriegen, Schwangerschaft und ungewollte Kinderlosigkeit.

"Viele fühlen sich hilf- und ratlos und blicken dann pessimistisch auf ihre Zukunft im Allgemeinen."
Anja Falat, psychologische Psychotherapeutin

Wie Samanta spüren viele Frauen auch einen Kontrollverlust, ergänzt sie. Die Entscheidung, wie das eigene Leben aussehen soll, liege ja plötzlich nicht mehr in der eigenen Hand, bei manchen sei der ganze Lebensplan umgeworfen. Für viele ist es schwer, damit umzugehen – aber das ist normal und völlig in Ordnung, betont sie.

"Es ist ganz wichtig, dass ich mir erst mal selbst zugestehe: Ich darf mich so fühlen!"
Anja Falat, Psychologische Psychotherapeutin

Der erste Schritt also: anerkennen, dass man sich so fühlt und versuchen, das zu akzeptieren, rät die Therapeutin. In einem zweiten Schritt können die Betroffenen dann versuchen, in anderen großen Lebensbereichen Kontrolle herzustellen.

Sich andere Lebensziele bewusst machen

Der Wunsch, Kinder zu bekommen, sei für viele ein Lebenstraum und es ginge nicht darum, diese Lücke zu schließen, betont sie. Vielmehr gehe es darum, sich darauf zu besinnen, was einen sonst noch als Mensch ausmacht, welche anderen Träume und welche Werte im Leben man hat.

"Werte kann man sich vorstellen wie einen Kompass für das eigene Leben. Wenn das Leben eine Wanderung ist, geben Werte uns die Richtung vor, wo es hingehen kann."
Anja Falat, psychologische Psychotherapeutin

Anja Falat plädiert für einen offenen Umgang mit den eigenen Gefühlen – auch etwa damit, wenn man vielleicht gerade nicht an einer Babyparty oder ähnlichem teilnehmen kann oder will, weil man das Glück in diesem Moment eben nicht teilen kann – nicht aus Missgunst, sondern weil es einem eben schwerfällt und man sich selbst schützen muss. Man soll sich Zeit geben, rät sie, und anerkennen, dass Neidgefühle da sein dürfen.

"Diese Neidgefühle dürfen ja da sein. Ich muss mich tatsächlich erst mal nicht für andere Menschen freuen."
Anja Falat, psychologische Psychotherapeutin

Auch wer nicht selbst betroffen ist, aber Betroffene im Umfeld hat, kann helfen. Freunde, Freundinnen und das soziale Umfeld haben eine total wichtige Funktion in so einer Situation, sagt die Therapeutin. Das kann auch überfordern – aber genau das sollten wir dann ebenfalls thematisieren, empfiehlt sie, indem wir etwa sagen, dass wir Anteil nehmen, gerne zuhören, gerne helfen würden, aber nicht wissen wie.

"Es gibt ja nichts, was die Situation lösen kann. Ich kann ja keinen Ratschlag erteilen, der das jetzt rückgängig macht."
Anja Falat, psychologische Psychotherapeutin

Die Diagnose akzeptieren

Ihr Umfeld hat auch Samanta geholfen. "Zum Glück gehen alle sehr liebevoll und sensibel damit um", erzählt sie. Und ihr hat geholfen, dass sie selbst auch ihre Unfruchtbarkeit offen angesprochen und auch Fragen geklärt hat, fügt sie hinzu. Zukunftsängste haben schließlich alle – die, die keine Kinder bekommen können, und die, die welche bekommen. Darüber offen zu sprechen, kann verbinden.

"Das Schöne ist, dass ich mich dadurch sogar einer Freundin noch näher fühle, die jetzt Mama geworden ist, weil auch sie Ängste hatte, wie sich ihr Leben verändert, wenn sie jetzt in diese Mutterrolle kommt."
Samanta, kann keine Kinder bekommen

Auch wichtig für Samanta: Lieb zu sich selbst zu sein: "Bei mir zumindest war es sehr wichtig, mir zu sagen, dass ich in Ordnung bin und dass ich trotzdem dankbar bin für meinen Körper."

Mittlerweile ist bei ihr angekommen, dass sie keine Kinder bekommen kann, sagt sie. Es sei in Ordnung und sie akzeptiere es. Ihre Zukunft, da ist sie sich sicher, wird genauso aussehen, wie sie es gerne wollte – vielleicht eben mit ein paar Kindern mehr im Freundeskreis. Und das sei schön so.

"Ich bin auch nicht nachtragend oder habe ein unangenehmes Gefühl dabei. Ich bin eher froh, wenn andere das können und das auch wollen."
Samanta, ist mit 27 in die verfrühten Wechseljahre gekommen

Was Samanta noch geholfen hat, wie es ihr heute geht, welche besondere Strategie Anja Falat vorschlägt und wann ihr euch professionelle Hilfe suchen solltet, das erfahrt ihr wenn ihr den Podcast hört. Klickt dafür einfach oben auf Play.

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Shownotes
Jung und unfruchtbar
Was, wenn ich kein Kind bekommen kann?
vom 09. Juni 2025
Gesprächspartnerin: 
Samanta, ist mit 27 in die verfrühten Wechseljahre gekommen
Gesprächspartnerin: 
Anja Falat, psychologische Psychotherapeutin aus Köln mit dem Schwerpunkt peripartale psychische Krisen (d.h. Krisen rund um Kinderkriegen, Schwangerschaft, ungewollte Kinderlosigkeit)
Gesprächspartnerin: 
Priv. Doz. Dr. med. Melisa Gülhan Inci-Turan, Direktorin der Frauenklinik, Klinikum Dortmund, Klinikum der Universität Witten/Herdecke
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Yevgeniya Shcherbakova, Anna Küsters, Friederike Seeger, Anna Maibaum
Produktion: 
Dorothee Lohse