"Eier haben" oder eine "Pussy sein" – bei solchen Ausdrücken werden Klischees und Stereotype bedient. Stärke wird dabei eher mit Männlichkeit verknüpft und Schwäche mit Frauen. Was steckt sprachwissenschaftlich hinter diesen Formulierungen?

In unserer Sprache tauchen immer wieder Begrifflichkeiten auf, bei denen alte Rollenbilder zum Vorschein kommen. Das liegt an historischen Denkmustern, die tief verankert sind, erklärt die Sprachwissenschaftlerin Anne Rosar.

"Jungfrau" aber kein "Jungmann"

"Die Sprache ist durchzogen von sogenanntem Androzentrismus – oder auch diesem Prinzip, was wir als "Males as norm" bezeichnen. Unsere Sprache und ihr Gebrauch gehen auf historische Werteordnungen zurück, die Männer privilegieren." Heißt: Die Kategorie "Mann" genießt ein höheres Ansehen, als die Kategorie "Frau".

Anderes Beispiel: der Begriff "Jungfrau". Hier gab es zwar im Mittelalter das männliche Pendant "Junker". Im Laufe der Zeit haben sich die Bezeichnungen aber unterschiedlich entwickelt, erklärt Anne Rosar: "Während wir die männliche Bezeichnung "Junker" heute noch kennen, für den Vertreter eines Adelsstandes, hat sich Jungfrau sehr stark verändert. Das bezieht sich heute nicht mehr auf den Stand, sondern die sexuelle Unberührtheit einer Frau."

Abwertung: Frauenbegriffe stärker betroffen als Männerbegriffe

"Beim Begriff "Jungfrau" spielt die Heiratsreife von Frauen eine wichtige Rolle", erklärt Anne Rosar, "die historisch betrachtet ganz wichtig für Frauen war." Mit dem Begriff "Jungfer" werden Frauen heute sogar eher abwertend als Unverheiratete bezeichnet.

"Und dieser Abwertungsprozess, der auch eine Sexualisierung beinhaltet, den bezeichnet man auch als "Pejorisierung" – also als Bedeutungsverschlechterung", erklärt Anne Rosar. Laut der Sprachwissenschaftlerin sind Frauenbezeichnungen deutlich stärker betroffen als Männerbezeichnungen:

"Frauen waren beispielsweise auch lange mit dem Begriff "Fräulein" dazu verpflichtet, ihren Ehestatus offenzulegen."
Anne Rosar, Sprachwissenschaftlerin

Die Sprachwissenschaftlerin sieht aber auch einen Wandel: Heutzutage werde der Begriff "Jungfrau" etwa seltener verwendet. Und wenn, dann würden auch Männer häufiger so bezeichnet.

Kritik an Gendersprache

Ein kritischer Blick auf die deutsche Sprache nervt aber auch viele. Stichwort: Gendern. Die Sprachwissenschaftlerin hält Gendersprache allerdings für wichtig: "Das Deutsche ist sehr stark männlich dominiert. Das kann man daran sehen, dass das Maskulinum bei Personenbezeichnungen nicht nur spezifisch für männliche Personen verwendet werden kann, sondern auch geschlechtsübergreifend oder geschlechtsneutral."

Gleichzeitig kann sie den Widerstand gegen einen Sprachwandel nachvollziehen. "Sprache ist ganz stark mit Identität und Gewohnheiten verbunden. Aber es ist am Ende ein natürlicher und unvermeidbarer Prozess, dem man sich auch gar nicht widersetzen kann", so Anne Rosar.

"Sprachwandel braucht Zeit und ist ein fortlaufender, gesellschaftlicher Aushandlungsprozess."
Anne Rosar, Sprachwissenschaftlerin

Aus Sicht der Sprachwissenschaftlerin hat Gendersprache durchaus Vorteile für die Gesellschaft: "Wenn in Stellenausschreibungen zum Beispiel nicht nur die männliche Form, sondern auch die weibliche oder eine geschlechtsübergreifende Form verwendet wird, werden auch Frauen oder Personen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit angesprochen."

Sexualität enttabuisieren

Anne Rosar hält es auch für wichtig, Geschlechtsorgane ganz klar zu benennen – und zwar schon im Kindesalter: "Wenn man Kinder frühzeitig daran gewöhnt, keine Umschreibungen wie "da unten" oder "unten rum" zu verwenden, sondern selbstbewusst ihre Geschlechtsorgane zu bezeichnen, kann das einen positiven Effekt auf das Selbstbewusstsein der Person haben."

Shownotes
Jungfrau, Eier, Pussy & Co.
Das Patriarchat steckt in unserer Sprache
vom 21. Mai 2025
Moderatorin: 
Lena Mempel
Gesprächspartnerin: 
Anne Rosar, Sprachwissenschaftlerin