Konflikte werden in Zukunft auch im All ausgetragen, dort sind wir sehr verwundbar. Denn wenn Satelliten angegriffen werden, bricht in unserem Alltag vieles zusammen: die Kommunikation, unsere Bezahlsysteme, die Navigation. Davor soll uns die Bundeswehr beschützen.
Kämpfen im Weltall – das klingt sehr nach Hollywood-Blockbuster. Doch Fakt ist: Schon heute verteidigen wir uns im Weltraum, weil wir dort sehr angreifbar sind. So angreifbar, dass es unser Leben lahmlegen würde, wenn "da oben" etwas massiv ausfällt, schiefgeht oder im großen Maße gezielt zerstört wird.
Ohne Satelliten geht auf der Erde nichts
Das liegt daran, dass vieles, was heute zu unserem Alltag gehört – Navigationssystem, Smartphone, EC-Karte – nur dank Tausender um die Erde kreisender Satelliten funktioniert, sagt Andrea Rotter. Sie ist Referatsleiterin bei der Akademie für Außen- und Sicherheitspolitik der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München und dort auf Weltraum-Sicherheitspolitik spezialisiert.
Sie führt aus: Ein großer Ausfall von Satellitensystem hätte aber nicht nur Auswirkungen auf das Privatleben jedes Einzelnen, was ja schon genug Chaos geben würde. Es würde vielmehr die gesamte Wirtschaft und Infrastruktur lahmlegen, unter Umständen über Ländergrenzen hinweg. Das beträfe den öffentlichen Person- oder Güterverkehr, Rettungsdienste und Polizei, aber genauso den internationalen Aktienmarkt sowie die Wetterbeobachtung.
"Ob Smartphone checken oder beim Bäcker mit Karte zahlen – all das sind Leistungen, die von weltraumgestützten Fähigkeiten abhängen."
Szenarien für ausfallende oder gestörte Satelliten gibt es laut Andrea Rotte einige:
- technische Störungen, die nicht kurzfristig behoben werden können
- Weltraumwetter, also Strahlungen oder magnetische Strömungen, die die Funktionsweise von Satelliten beeinträchtigen
- herumfliegender Weltraumschrott
- gezielte Angriffe auf Satelliten
Wir beobachten seit geraumer Zeit Staaten, darunter vor allem Russland und China, die ihre militärischen Weltraumprogramme ausbauen, zum Beispiel in Form von Anti-Satelliten-Waffen, sagt Andrea Roter. Sie verweist auf den Beginn des Krieges gegen die Ukraine, als über einen Cyber-Angriff die satellitengestützte Kommunikation des ukrainischen Militärs angegriffen wurde.
Zudem werde an Lasertechnologien und Hochleistungsmikrowellen gearbeitet, die einen Satelliten nicht nur kurzfristig in der Funktionsweise stören, sondern tatsächlich zerstören können. Durch die Zerstörung entsteht außerdem umherfliegender Weltraumschrott, der wiederum anderen Satellitensystemen gefährlich werden kann, erklärt die Expertin.
Keine kleine Aufgabe: den Weltraum im Blick haben
Dass die Bundeswehr seit 2021 ein eigenes Weltraumkommando hat, bewertet Andrea Roter daher als "sehr guten und notwendigen Schritt", wenn auch Deutschland damit im Vergleich zu Ländern wie Frankreich und den USA spät dran war. Chef, also Kommandeur des Weltraumkommandos der Bundeswehr, ist Generalmajor Michael Traut.
Zur Einweihung des Dienstgebäudes in Uedem in Nordrhein-Westfalen leistete sich die Bundeswehr Humor, komponierte eigens für die Veranstaltung den "Space Garde Salut Marsch" und umgab Generalmajor Michael Traut mit Bundeswehrsoldaten, die in Stormtrooper-Uniformen gekleidet waren. Doch wenn man hört, was Michael Traut über die Sicherheit im Weltraum sagt, wird schnell klar: Witzig ist daran überhaupt nichts.
"Leider ist der Weltraum kein so friedlicher Platz, wie sich das viele vorstellen. Es finden dort bereits Auseinandersetzungen statt."
Die Beobachtung des Geschehens im Weltraum, also der Satelliten, der dazugehörigen Bodenstationen und Datentechnik, ist eine Hauptaufgabe des Weltraumkommandos, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund um die Uhr betrieben, erklärt Michael Traut. Genauso gehöre es dazu, ein Lagebild von allen anderen Akteuren im Weltraum zu bekommen, also kommerzielle Akteure, aber auch potenzielle Gegner.
Wird ein potenzieller Gegner gesichtet, wird zunächst versucht, diesen abzuschrecken. Dann geht es in den Austausch mit den Partnern, beispielsweise mit Ländern der NATO. Denn auch im Weltraum gibt es Bündnisse und Kollaborationen, die denen auf der Erde entsprechen, erklärt der Generalmajor.
"Die geopolitische Rivalität auf der Erde wird auch im Weltraum ausgetragen."
Im Falle eines Angriffs auf ein System wird zunächst geprüft, ob es nicht alternative Satelliten gibt, auch von Partnerländern oder Bündnissen, auf die zurückgegriffen werden kann. Außerdem wird die Bundesregierung umgehend informiert, so Michael Traut, damit politische Reaktionen folgen können.
Denn am Ende ist, das, was im Weltraum geschieht, ein Spiegel der Bündnisse, Konflikte und Gegnerschaft, die auf der Erde stattfinden. So beschreibt es Andrea Roter. Und spätestens mit diesen Worten wird klar, warum der Weltraum "da oben" mehr mit unserem Leben "da unten" auf der Erde zu tun hat, als uns möglicherweise bewusst ist.
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