Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen die Ukraine aktuell nicht verlassen, weil sie wehrpflichtig sind. Das heißt, wenn die ukrainische Armee sie braucht, müssen sie kämpfen. Manche schließen sich im Kampf gegen den russischen Einmarsch schon jetzt freiwillig den ukrainischen Truppen an. Einer von ihnen ist Viktor aus Kiew.
Eigentlich arbeitet Viktor als Anwalt in einer Kanzlei in Kiew. Er ist 24 Jahre alt, aber seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich auch für Viktor alles verändert. Als die Kämpfe vor einigen Tagen die Ränder der Hauptstadt erreichten, hat Viktor einen Entschluss gefasst: Er will zur Waffe greifen und kämpfen.
Er ist jetzt nach wie vor in Kiew und sagt, dass es ihm gut geht. "Ich würde sagen, dass wir halt nicht vorbereitet waren, dass es im März noch so kalt sein kann. Aber wir sind gut versorgt", sagt er. Viele Menschen würden fragen, was sie brauchen und würden es dann vorbeibringen.
"Wir haben Waffen, Munition vor allem auch Unterstützung von Menschen."
Viktor bewacht im Moment ein Krankenhaus. Er erklärt, dass es normalerweise zwei Optionen gebe, um sich militärisch zu beteiligen. Die erste Option bestehe darin, dass man sich zu einem militärischen Stützpunkt begebe. "Man wird praktisch eingezogen. Das heißt, wenn eine Person im Alter von 18 bis 35 Jahre alt ist und ein Mann ist und dann keine Kinder hat oder irgendwelche Krankheiten, dann wird er eingezogen", sagt Viktor. Das ist die erste Option. Die zweite Option bestehe darin, dass die Menschen sich einer offiziellen militärischen Truppe anschließen.
Offizielle Waffen für die Freiwilligen
"Ich bin weder die erste noch die zweite Option eingegangen, ich bin jetzt in einer dritten Option: Das ist eine freiwillige Truppe, die sich einfach so so gebildet hat. Und wir haben Waffen bekommen vom Innenministerium, aber das ist ein bisschen eine eigenständige Truppe", erklärt er. Bisher hat Viktor noch kein offizielles Schreiben erhalten, dass er sich bei einem militärischen Stützpunkt melden muss.
"Im Prinzip könnte ich eingezogen werden. Aber ich habe immer noch kein Schreiben bekommen, dass ich bei einer militärischen Station erscheinen muss."
Viktor weiß, dass es in den kommenden Tagen oder Wochen einen großen russischen Sturm auf die Hauptstadt geben könnte. Er sagt: "Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich überhaupt keine Angst habe. Natürlich, ich bin 24. Ich habe so viele Pläne." Aber das Risiko sei ihm bewusst gewesen, als er sich der Truppe anschloss.
"Ich weiß natürlich, dass es ein sehr hohes Risiko gibt, dass ich nicht mehr nach Hause zurückkomme."
Wenn er jedoch abwäge, was ihm wichtiger sei: einerseits sein Leben und andererseits, dass er sein Leben für seine Heimat, seine Kinder oder für seine Eltern opfere – da sei für ihn klar, worauf die Wahl falle, nämlich das Letztere.
Möglicher Sturm auf Kiew
Einen Sturm auf Kiew hält er für sehr wahrscheinlich: "Weil für Putin und für russische Truppen ist es wichtig, zu zeigen: 'Wir sind sogar in der Lage, die Hauptstadt von der Ukraine zu besetzen.'" Allerdings glaubt Viktor nicht, dass es den russischen Truppen gelingen wird, die Stadt zu besetzen, weil die Luftabwehrsysteme bisher gut funktionierten. Weil die Menschen gut versteckt seien und weil die Versorgung gut funktioniere. Viktor sagt: "Das heißt: Je länger die da bleiben, desto besser können wir die halt auch angreifen."
"Der Plan ist, die Stadt zu bombardieren, die Truppen zu töten, dann reinzugehen und die Stadt zu besetzen. Das funktioniert aber nicht, weil unsere Luftabwehrsysteme ganz gut funktionieren."
Viktor hat seinen Eltern zunächst nichts davon erzählt, als er sich einer bewaffneten Gruppe angeschlossen hatte. Seine Mutter habe es jedoch schließlich über Facebook mitbekommen und ihn angerufen. Inzwischen habe sie seine Entscheidung akzeptiert. "Und die meinte einfach: 'Pass auf dich auf. Und wir sind immer für dich da. Egal was du brauchst'", sagt er.