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Nach dem überraschenden Rückschlag beim ersten Versuch hat sich Friedrich Merz im zweiten Wahlgang doch noch die nötige Mehrheit geholt. Ein Scherbenhaufen bleibt trotzdem: Wer wollte ihn abstrafen? Und was bedeutet das für die künftige Bundesregierung?

Es war ein historisches Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das es so noch nicht gegeben hat: Erstmals ist ein Bundeskanzlerkandidat bei der Wahl im Bundestag gescheitert. Friedrich Merz erhielt im ersten Wahlgang nur 310 von 621 Stimmen – und damit sechs weniger als die erforderliche Mehrheit.

Obwohl die Union und SPD gemeinsam 328 Sitze haben, gab es abweichende Stimmen, deren Herkunft wegen der geheimen Abstimmung unklar ist – und vermutlich auch bleiben wird.

Merz ins Kanzleramt gestolpert

Im Bundestag herrschte eine unübersichtliche Situation, berichtet unser Hauptstadtkorrespondent Steffen Wurzel. Als gegen halb zehn morgens das Ergebnis der Kanzlerwahl verkündet wurde, waren viele überrascht, da ein Scheitern nicht erwartet worden war. Es gab auch keinen vorbereiteten Plan B oder C – stattdessen mussten sich die Beteiligten zunächst beraten und überlegen, wie es weitergeht.

"Auch im zweiten Durchgang hat Merz nach wie vor nicht alle Stimmen der geplanten Koalition bekommen."
Steffen Wurzel, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Im zweiten Wahlgang erhielt Friedrich Merz 325 Stimmen und überschritt damit die notwendige Mehrheit von 316 Stimmen knapp. Obwohl er nicht alle Stimmen der Koalition aus CDU/CSU und SPD bekam, reichte das Ergebnis aus, um ihn am späten Nachmittag doch noch zum Bundeskanzler zu wählen.

Juristisch zunächst unklare Lage

Die Verzögerung bei der Kanzlerwahl hin zum zweiten Wahlgang lag daran, dass zunächst unklar war, wie verfassungskonform weiterverfahren werden sollte. Juristisch war nicht eindeutig, ob ein zweiter Wahlgang noch am selben Tag möglich war oder später – eventuell sogar erst am Freitag.

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Damit der zweite Wahlgang noch am selben Tag stattfinden konnte, brauchte es eine erforderliche Zweidrittelmehrheit, um die Geschäftsordnung des Bundestags zu ändern. Dafür war die Zustimmung der Linken notwendig. Alexander Dobrindt, CSU, übernahm die Initiative und verhandelte mit der Partei. Erst dann konnte die zweite Abstimmung starten.

Die Linke - Verhandlung trotz Unvereinbarkeitsbeschluss

Eigentlich hat die Union einen Unvereinbarkeitsbeschluss, nicht mit der Linkspartei zu kooperieren. Der neue Innenminister Alexander Dobrindt verteidigte das Vorgehen: Für eine nötige Zweidrittelmehrheit müsse man auch mit der Linken sprechen – unabhängig von politischer Farbe.

Innerhalb der CDU/CSU gibt es Kritik, und es dürfte nun eine Debatte darüber geben, wie man künftig mit der Linkspartei umgeht, etwa bei der Wahl von Bundesrichtern, die ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit erfordert. Der heutige Tag könnte damit den Auftakt für eine neue innerparteiliche Diskussion markieren.

"Der heutige Tag ist auch der Auftakt für eine neue Diskussion innerhalb von CDU/CSU, wie sie künftig mit den Linken umgehen."
Steffen Wurzel, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Wer im ersten Wahlgang gegen Friedrich Merz gestimmt hat, bleibt unklar – die Abstimmung war geheim. Ein SPD-Abgeordneter meinte, es habe nicht nur an ihnen gelegen, was auf abweichende Stimmen in der SPD-Fraktion hindeutet, möglicherweise von jungen Abgeordneten der Jusos, die mit dem Koalitionsvertrag unzufrieden waren. Auch in der CDU gab es Unmut, etwa über die Kabinettsliste oder die mangelnde Repräsentation Ostdeutschlands. Zudem gibt es innerparteiliche Strömungen, die Merz kritisch sehen, meint Steffen Wurzel.

Bundeskanzler – Wackelstart schadet dem Ansehen

Die holprige Wahl schadet zunächst dem Ansehen sowohl von Friedrich Merz als auch von Lars Klingbeil. Entscheidend ist das Bild, das nach außen entsteht – und das ist eins eines unsicheren, fast chaotischen Starts der neuen Koalition aus CDU, CSU und SPD.

"Das war ein wackliger Start dieser neuen Koalition aus CDU CSU und SPD – wenn nicht sogar chaotisch."
Steffen Wurzel, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Dieses Bild prägt nicht nur die Wahrnehmung im Bundestag, sondern auch in der Öffentlichkeit und im Ausland. Es wirft Fragen auf zur Stabilität der Koalition und zur Führungsstärke beider Parteichefs. Andererseits: Wenn die neue Regierung bald handlungsfähig ist und liefert, könnte dieser missglückte Auftakt bald in Vergessenheit geraten.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

  • Unboxing News
  • Moderation: Nik Potthoff
  • Gesprächspartner: Steffen Wurzel, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio