Trotz besseren Wissens kaufen wir statt nachhaltiger Kleidung eher Massenware, deren Produktionsweise fragwürdig ist. Nachhaltigkeitsforscher Jacob Hörisch nennt das "Attitude-Behaviour-Gap" und untersucht diese Kluft zwischen unserer Einstellung und unserem Verhalten.
Auf der einen Seite sei seit dem Fabrikeinsturz in Dhaka, Bangladesch, am 24. April 2013 das Interesse an nachhaltiger Mode stark gestiegen, sagt Jacob Hörisch. Bei dem Unglück waren über 1000 Menschen gestorben, die auch für den deutschen Markt Textilien hergestellt hatten. Heute würden drei Viertel der Deutschen sagen, dass ihnen Nachhaltigkeit in der Modebranche wichtig sei.
Auf der anderen Seite schätzt Jacob Hörisch aber den Marktanteil nachhaltiger Mode in Deutschland auf nur 4 bis 5 Prozent, im Bundesdurchschnitt kauften Deutsche jedes zwanzigste Kleidungsstück aus nachhaltiger Textilherstellung. Verlässliche Zahlen dazu gibt es allerdings nicht - Allein schon, weil es schwierig ist, ab wann ein Kleidungsstück als nachhaltig gelten kann.
Jacob Hörisch nennt diesen Widerspruch zwischen der Haltung, nachhaltige Mode gut zu finden, und dem tatsächlichen Kauf von Massenware "Attitude-Behaviour-Gap", also: Einstellungs-Verhaltens-Kluft. Der Nachhaltigkeitsökonom von der Leuphana Universität Lüneburg hat mit einem Team 1085 deutsche Konsumentinnen und Konsumenten online befragt, um herauszufinden, was die Ursache für diesen Widerspruch ist.
Nachfrage nach nachhaltiger Mode wird nicht bedient
Dabei hat das Team festgestellt, dass das Angebot eine große Rolle spiele. Viele der Befragten bestätigten, dass es ihnen wichtig sei, nachhaltige Kleidung zu kaufen, es aber schwierig sei, diese im Einzelhandel zu finden. Anders sei das bei Menschen, die auch online Kleidung kauften, deren "Attitude-Behaviour-Gap" sei geringer, weil sie im Netz ein größeres Angebot an nachhaltiger Kleidung fänden.
"Als Wirtschaftswissenschaftler denke ich: Das ist doch eine tolle Möglichkeit für alle Anbieter, weil es da ein Bedürfnis gibt, das nicht befriedigt wird."
Die Forscher haben auch gefragt, ob der höhere Preis bei nachhaltiger Mode eine Rolle bei der Kaufentscheidung spiele. Herausgekommen sei, dass preisbewusste Menschen keinen größeren "Attitude-Behaviour-Gap" als andere aufweisen würden, also der Preis demnach nicht die Ursache für diese Lücke ist.
Auch, dass nachhaltige Kleidung möglicherweise nicht modisch genug sei und deshalb nicht gekauft werde, sei keine Erklärung für den Widerspruch, sagt Jacob Hörisch. Denn bei den modebewussten Menschen konnten die Forscher keinen größeren "Attitude-Behaviour-Gap" feststellen als bei den anderen.
Mehr Anbieter für nachhaltige Mode
Damit die Menschen mehr nachhaltige Kleidung kaufen, sagt Jacob Hörisch, müssten zum einen mehr Geschäfte entstehen, die diese Mode anbieten, und zum anderen auch konventionelle Kaufhäuser nachhaltige Mode in ihr Sortiment aufnehmen und verstärkt anbieten.
"Die meisten Konsumierenden gehen in ein konventionelles Kaufhaus und haben offensichtlich, das zeigen die Zahlen, ein Interesse an nachhaltiger Mode – und finden dort nicht, was sie haben wollen."
Wer mehr nachhaltige Kleidung kaufen möchte, könne selbst dafür sorgen, erklärt Jacob Hörisch, indem er beispielsweise online nachhaltige Mode kaufe, wenn sich kein entsprechendes Geschäft in der Nähe befindet. Dort finde man für jeden Geldbeutel und Modetyp nachhaltige Kleidung.
"Jedem, dem das wichtig ist, würde ich empfehlen, vor dem nächsten Einkauf im Netz nach nachhaltiger Mode in der Heimatstadt zu suchen."
Außerdem empfiehlt Jacob Hörisch ein kurze Netzrecherche vor dem nächsten Einkauf. Zumindest in größeren Städten gibt es Geschäfte, die nachhaltige Mode anbieten.
Aber jeder könne auch einfach in Geschäften nach nachhaltiger Kleidung fragen. "Ich mach das auch manchmal und bin immer wieder überrascht, für wie viele Verkäuferinnen und Verkäufer das auch ein wichtiges Thema ist", sagt Jacob Hörisch. Oft böten bereits auch konventionelle Kaufhäuser nachhaltige Mode an, die aber eventuell nicht so sichtbar angeboten werde.