Wann wird ein Trainer entlassen? Bislang konnte man das meist an mehreren Niederlagen festmachen. Nun haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie ein Modell entwickelt, mit dem man das voraussagen kann – und das auch für andere Krisen gelten könnte.

Eine Niederlage nach der nächsten, schlechte Stimmung in der Mannschaft – im Profifußball ist schnell von einer Krise die Rede, wenn es mal nicht so läuft. Und im Laufe einer Krise kommt es häufig dann auch zu Trainerentlassungen. Doch wann genau entscheiden sich Vereine gegen einen Trainer?

Diese Frage hat ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit einem mathematischen Modell genau untersucht. Die Forschenden wollen berechnen können, wann sich ein Team wegen einer sportlichen Krise vom Trainer trennt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "German Journal of Exercise and Sport Research" veröffentlicht.

Für die Studie haben die Forschenden alle Spieldaten der Bundesliga-Saison 2023/24 mathematisch ausgewertet. "Sie haben zum Beispiel darauf geschaut, wo ein Team in der Tabelle steht und wo es eigentlich stehen müsste", erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Livia Hoffmann.

"Außerdem haben sie analysiert, wie sich die Punkte über mehrere Spiele entwickeln und ob ein Team etwa zuletzt plötzlich deutlich schlechter abgeschnitten hat als erwartet. , erklärt sie weiter. Aus diesen Vergleichen bauten die Forschenden mehrere Kennzahlen, die zeigen sollen, ob sich eine Mannschaft gerade schleichend nach unten bewegt oder gar gerade kippt.

Die Krise beginnt lange vor dem verlorenen Spiel

So kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass eine Krise nicht erst mit ein paar verlorenen Spielen beginnt, sondern wenn ein Team über längere Zeit schlechter abschneidet als erwartet oder dessen Leistung plötzlich deutlich einbricht.

"Eine Krise ist nicht ein einmaliger Ausrutscher."
Darko Jekauc, Sportpsychologe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Das bedeutet, eine Fußballmannschaft kann durchaus mal ein oder zwei Spiele verlieren, erklärt der Sportpsychologe Darko Jekauc. Er gehört zum Forschungsteam des KIT und sagt: "Der Punkt ist der, dass das Ganze irgendwann eine Eigendynamik annimmt und die Mannschaft durch die verlorenen Spiele Selbstvertrauen verliert." Die Krise geht also dann los, wenn Automatismen nicht mehr funktionieren und Spieler beginnen, sich zu hinterfragen – und das ist weitaus früher, als dass Spiele verloren werden.

Krise verläuft immer ähnlich

Zwar kündigen sich Krisen im Fußball laut den Forschenden unterschiedlich an, aber wenn sie mal in Gange sind, verlaufen sie stets nach einem ähnlichen Muster. Die Studiendaten zeigen, dass Warnsignale zu spät ernst genommen werden und es so zu drastischen Entscheidungen wie etwa einer Trainerentlassung oder dem Transfer von Spielern kommt.

"Man wartet, bis die Krise unkontrollierbar wird und handelt erst dann. Man entlässt Trainer, transferiert neue Spieler und versucht mit vielen Millionen das Problem zu lösen."
Darko Jekauc, Sportpsychologe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Die Forschenden verstehen ihr Modell vor allem als Frühwarnsystem für die Vereine, das objektiv zeigen kann, wo Vereine gerade stehen und so Diskussionen vereinfachen kann. "Es gibt Fußballmanager, die haben ein gewisses Gefühl, einen subjektiven Eindruck, ob es gut läuft oder schlecht", sagt Darko Jekauc. "Man kann lesen, was in den Medien gesagt wird, sich anhören, was die Fans sagen und die Stimmung auffangen und hat ein Gefühl, wie es läuft."

Doch mit den Daten des KIT wäre ein Trainerwechsel oder der Transfer eines Spielers nicht mehr nur eine Notreaktion, sondern im besten Falle eine von mehreren Optionen.

Shownotes
Forschungsprojekt
Mit Daten Krisen im Fußball vorhersagen
vom 10. Dezember 2025
Moderation: 
Till Haase und Sebastian Sonntag
Gesprächspartnerin: 
Livia Hofmann, Deutschlandfunk Nova
Gesprächspartner: 
Darko Jekauc, Sportpsychologe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)