Es wird viel über die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze diskutiert, auf die sich die Staaten beim Pariser Klimaabkommen 2015 geeinigt hatten. Doch was passiert, wenn wir es nicht schaffen und die globale Erderwärmung auf drei Grad steigt? Darauf seien wir nicht vorbereitet, warnen Forschende.

Die Warnung des internationalen Forschungsteams richtet sich vor allem an die Wissenschaft und die Regierungen weltweit, sagt die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhof. Bislang werde zu wenig zu Worst-Case-Szenarien des Klimawandels geforscht, heißt es darin. Zwar gibt es viele Studien zum Klimawandel und zur globalen Erderwärmung, aber im Verhältnis zur Masse an Studien gebe es sehr wenige über extreme Szenarien.

"Im Prinzip geht die Warnung des internationalen Forschungsteams an uns alle."
Wiebke Lehnhof, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Von einem extremen Szenario sprechen die Forschenden bei einer globalen Erderwärmung von 2,1 bis 3,9 Grad bis zum Jahr 2100. Die Folgen können für Natur und Mensch katastrophal sein. Eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um drei Grad könnte zur Folge haben, dass die menschliche Art fast komplett von der Erde verschwindet.

Forschung zu Worst-Case-Szenarien intensivieren

Noch scheint dieses Endzeit-Szenario weniger wahrscheinlich als die anderen bisher entwickelten Modelle. Aber in Anbetracht der bislang verfehlten Einsparungsziele für Klimagase solle sich die Wissenschaft mit wichtigen Frage-Ketten auseinandersetzen:

  • Wie wahrscheinlich sind solche Extrem-Szenarien?
  • Ab welchen Kipppunkten verlieren wir Siedlungsgebiete unwiderruflich?
  • Was muss alles passieren, damit wir als Menschheit gefährdet sind?
  • Wie anfällig sind verschiedene Gesellschaften oder Länder, wenn sich die Lage verschlechtert (Konflikte, politische Instabilität und das Zusammenbrechen von Finanzsystemen)?
  • Wie können all diese Infos sinnvoll zusammengefasst und für einen Katastrophenschutz genutzt werden?

Neuer Weltklimabericht gefordert

Bisher habe sich keiner der 14 Sonderberichte des Weltklimarats (IPCC) mit extremen oder katastrophalen Klimaveränderungen beschäftigt, kritisieren die Forschenden. Es sei bestenfalls naives Risikomanagement und schlimmstenfalls dumm, sich nicht mit den schlimmsten Szenarien auseinanderzusetzen. Außerdem müssten die Ergebnisse besser aus der Wissenschaft hinaus für eine bessere Vorbereitung kommuniziert werden.

Die Wissenschaftscommunity hat auf den Artikel namhafter Klimaforschendender im Fachmagazin PNAS bereits reagiert:

  • Friedrich Schleussner, Leiter des Bereichs Klimawissenschaft und Auswirkungen bei Climate Analytics, sagt, dass es zwar stimme, dass mehr Konfliktszenarien beachtet werden müssten. Aber er widerspreche der Behauptung, dass die Klimaforschung sich zu wenig mit höheren Erwärmungs-Szenarien beschäftigten würde.
  • Reinhard Mechler, Leiter einer Forschungsgruppe für systemische Risiken und Resilienz in Österreich, nennt den Artikel "einen wichtigen Beitrag", weil er "den Fokus auf existenzielle Risiken und Kipppunkte in sozialen Systemen lenkt".
  • Daniela Jacob, Direktorin des German Institute for Climate Services, ehemalige Leitautorin eines IPCC-Sonderberichts, ist dafür, dass es einen neuen Bericht des Weltklimarates zu Extremszenarien geben sollte. Einmal, um den Stand des Wissens zu sammeln, und zum anderen, um dadurch neue Forschung zum Thema auszulösen.
Shownotes
Forschung
Klimawandel: Wissen und Vorbereitung für Worst-Case-Szenarien fehlen
vom 02. August 2022
Moderatorinnen: 
Sonja Meschkat und Anke van de Weyer
Gesprächspartnerin: 
Wiebke Lehnhoff, Deutschlandfunk Nova