Der Kokain-Konsum ist auch in Deutschland stark gestiegen. Hamburgs Hafen ist ein wichtiger Umschlagplatz in Europa. Kriminelle nutzen große Gewinne auch für Korruption in hohen Ämtern. Wie der Kokainhandel sich gewandelt hat, erläutert ein Investigativjournalist.

Die größten Verlierer beim Großhandel von Kokain sind neben den Drogenopfern sicherlich die Kokabauern. Sie werden oft von Drogenkartellen bedroht, damit sie die Pflanzen in abgelegenen Andenregionen in Südamerika anbauen.

Und das für Centbeträge, die zum Überleben kaum ausreichen. Geerntet werden die Kokablätter meist von Frauen und Kindern, die gar nichts daran verdienen, sagt der Investigativjournalist Benedikt Strunz.

Auf Hilfe von der Regierung können die Kokabauern kaum hoffen, weil diese sie meist auch als ein Teil der des organisierten Drogenhandels betrachtet.

"Die Produktionsbedingungen vor Ort sind erbärmlich. Das heißt, Bauern sorgen für die Aufzucht der Pflanzen. Oft passiert das unter Zwang."
Benedikt Strunz, Investigativjournalist

Die Kokablätter werden nach der Ernte mit Chemikalien wie Waschbenzin und anderen Stoffen zu Koka-Base weiterverarbeitet, woraus wiederum Koka-Salz hergestellt wird. Sozusagen das Endprodukt, das man dann hierzulande in den Clubs findet, sagt der Investigativjournalist.

Nach der Fertigung werden die Chemikalien tonnenweise weggeschüttet, sagt Benedikt Strunz. Die Menschen, die mit den Stoffen umgehen, haben keine Schutzmasken. Als ein "ziemlich räudiges Geschäft" bezeichnet der Investigativjournalist den gesundheitsschädlichen Herstellungsprozess der Droge.

Immense Gewinnspanne im Handel mit Kokain

Das Kokain können Drogenhändler in den Ursprungsländern Peru, Bolivien und Kolumbien ungebrochen in Form eines Barrens erwerben. Ein Kilo kostet rund 1000 Euro und bringt dann beim Weiterverkauf in Europa rund 24.000 Euro ein.

Deutschland in zweifacher Hinsicht ein großer Markt

Um das Kokain nach Deutschland und Europa einzuführen, gibt es keinen Weg, den es nicht gibt, sagt Benedikt Strunz. Die Großhändler seien kriminelle Unternehmer, die sich ganz genau überlegten, was sie tun.

In seiner Investigativrecherche habe er auch schon von aberwitzigen Fällen gehört, in denen Kriminelle Vatikanflugzeuge chartern oder das Kokain in Torpedos unter Schiffen platzieren wollten oder eigens U-Boote für den Drogentransport gebaut wurden.

Einer der Hauptwege, auf dem Kokain nach Deutschland und Europa kommt, ist der Container-Frachthandel. Deswegen ist auch der Hamburger Hafen in den Fokus internationaler Drogenkartelle gerückt, so Benedikt Strunz.

Deutschland ist für die Drogen-Großhändler aber auch deshalb interessant, weil der Konsumentenmarkt weiter wächst: Es gibt mehr Menschen, die Kokain schnupfen oder als Crack, in einer aufbereiteten Form, rauchen.

"Hamburg ist ein riesiger Hafen – weltweit von Bedeutung – und hier kommt viel an. Das heißt, er steht auch im Fokus der internationalen Kokainbanden."
Benedikt Strunz, Investigativjournalist

Früher gab es einzelne dominierende Gruppen wie die italienische 'Ndrangheta, die sehr "leise gearbeitet" haben, beschreibt Benedikt Strunz den Wandel auf dem Drogenmarkt über die letzten Jahrzehnte hinweg. Leise bedeutet, dass diese Banden unauffällig agiert haben und in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung getreten sind. Diese Gruppen seien zudem ethnisch abgeschlossen gewesen, sagt er weiter.

Viele Gruppen mit unterschiedlichen Ethnien

Inzwischen gibt es viele unterschiedliche Gruppierungen: Das können unter anderem deutsch-dominierte, türkische, irische, italienisch-albanische oder marokkanische sein, die zum Teil auch untereinander kooperieren und eine gewisse Arbeitsteilung aufweisen.

Drogen-Großhandel im Franchise-Stil

Benedikt Strunz sagt, dass der Drogen-Großhandel zu einer Art "Franchise-Ding" geworden sei. Zur Erläuterung beschreibt er die kriminellen Strukturen so: "Du hast Investorengruppen, du hast Gruppen, die sich darauf spezialisiert haben, Sachen aus dem Hafen zu holen, du hast andere Gruppen, die darauf spezialisiert sind, andere Gruppen einzuschüchtern oder sogar umzubringen. Und alle kooperieren miteinander."

Und die jetzigen Drogenbanden agieren nicht mehr so unauffällig und unbemerkt wie einst die 'Ndrangheta. Auch in Hamburg käme es zu Schießereien und Hinrichtungen in der Öffentlichkeit, sagt der Investigativjournalist.

"Das Interessante dabei war, dass diese Gruppen immer für sich gearbeitet haben. Diese Zeiten sind absolut vorbei. Mittlerweile ist es wirklich so ein Franchise-Ding geworden."
Benedikt Strunz, Investigativreporter

Es handelt sich um ein Milliardengeschäft. Ein großer Teil dieses Geldes wird reinvestiert, um andere Drogengeschäfte oder kriminellen Machenschaften abzuwickeln, weiß Benedikt Strunz. Ein weiterer Teil des Geldes wird von den Drogenkartellen genutzt, um ihren Markt auszuweiten.

Und ein Teil der Gewinne wird für Korruption eingesetzt, auch auf einer höheren Ämterebene. Benedikt Strunz berichtet über den Fall eines Staatsanwaltes in Hannover, der mutmaßlich mit der Drogen-Mafia zusammengearbeitet haben soll, statt gegen diese vorzugehen.

Shownotes
Illegale Drogen
Kokain-Handel als Franchise-Geschäft
vom 04. März 2025
Moderation: 
Lena Mempel
Gesprächspartner: 
Benedikt Strunz, NDR-Investigativreporter