Markus Rimmele berichtet aus Schanghai. Seit September protestieren Hundertausende in Hongkong für ein demokratisches Wahlsystem. In Südchina ist die Kälte das akutere Problem: Dort hatte Mao Zedong per Dekret den Bau von Heizungen verboten.

Seit Ende September haben in Hongkong zeitweise bis zu 100.000 Menschen demonstriert. Forderung der protestierenden Studenten ist ein freiheitliches Wahlsystem. Juraprofessor Benni Tai und zwei Mitstreiter hatten die Initiative Occupy Central ins Leben gerufen und die Proteste damit entfacht.

"Es macht den Eindruck, dass jetzt so ein bisschen die Luft raus ist. Es sind nur noch ein paar Hundert Leute in dem Zeltlager vor dem Regierungssitz."

Viele waren dem Ruf der Occupy-Central-Gründer gefolgt. Nachdem die Organisatoren um Benni Tai sich nun der Polizei gestellt und das Ende der Proteste gefordert hatten, halten sich nur noch wenige Hundert Demonstranten im Zeltlager vor dem Regierungssitz in Hongkong auf. Möglich ist, dass die restlichen Studenten das Zeltlager von sich aus abbrechen oder, dass die Polizei es in den kommenden Tagen oder Wochen räumt.

"Die Proteste zeigen, dass ein großer Unmut in der Bevölkerung vorhanden ist - gerade bei der Jugend in Hongkong, die weder mit den politischen noch mit den wirtschaftlichen Verhältnissen zufrieden ist."

Leben in Hongkong und Shanghai

Korrespondent Markus Rimmele hat dreieinhalb Jahre in Hongkong gelebt und ist nun nach Schanghai gezogen. Der deutlichste Unterschied zwischen den Städten ist ihre Größe. Hongkong gilt mit seinen sieben Millionen Einwohnern im Vergleich zu Schanghai mit 25 Millionen als klein. Doch es war immer moderner als Schanghai. Allerdings: In den letzten Jahren hat sich das Stadtbild verändert: Es ist geprägt von Glasfassaden, Hochstraßen, schnellen Zügen, Bars und Restaurants jeglicher Herkunft.

"Wenn man sich nicht so sehr für Politik interessiert, kann man in Schanghai und auch in Hongkong ein sehr lustiges Leben führen."

Das gebeugte Recht

Den Unterschied zwischen den beiden Metropolen hat Markus Rimmele erst entdeckt, als er das private und öffentliche Leben in Hongkong und Schanghai kennengelernt hat. Hongkong ist eine offene Stadt, sagt er. Hier gäbe es die Freiheiten, die wir aus europäischen Städten kennen: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und eine Zivilgesellschaft, die funktioniert. In Hongkong demonstriere ständig irgendjemand gegen irgendetwas und die Zeitungen kritisieren die Regierung ganz offen - das ist das Erbe der britischen Kolonialmacht. In Schanghai und im Rest von China sieht die Situationen ganz anders aus.

"In Hongkong gibt es einen funktionierenden Rechtsstaat. Das versteht man allerdings erst, wenn man an einem Ort wie Schanghai lebt, wo das Recht gebeugt wird.

Eigenartige Heizungspolitik in Südchina

Die Temperaturen in Schanghai betragen nachts noch um die Null Grad. Allerdings sind auch Minusgrade und Schnee nichts Ungewöhnliches in den Wintermonaten. Das wäre alles kein Problem - wenn es Heizungen gäbe. Die gibt es aber nicht. Kurz nach dem Mao Zedong 1949 an die Macht kam, beschloss er per Dekret, dass nur in Nordchina Heizungen erlaubt sind.

"Hier in Schanghai geht es mit der Kälte noch. Es gibt jedoch Gegenden, die in den Bergen liegen. Da wird es richtig, richtig kalt. Aber die Leute haben sich daran gewöhnt und wissen, im Winter friert man halt."
  • Tagesschau.de  |   Demokratiebewegung in Hongkong: "Occupy Central"-Gründer stellen sich
  • Spiegel Online  |   Chinesische Heizgewohnheiten: Frösteln in Peking
Shownotes
Korrespondentenalltag
Keine Wahlfreiheit, keine Heizung
vom 06. Dezember 2014
Moderation: 
Martin Schütz
Gesprächspartner: 
Markus Rimmele