Dmytro Kyrpa von "Repair Together" fährt zusammen mit Freunden und Freiwilligen in ukrainische Dörfer, die von der russischen Armee zerstört worden sind. Sie stellen Turntables auf, veranstalten Aufräum-Raves und bauen so ganze Häuser wieder auf.

Vor einem Jahr hat sich das Leben der Menschen in der Ukraine von einem Tag auf den anderen brutal verändert. Neben dem Gefühl, seine Stadt, seine Gewohnheiten, einfach alles zu verlieren und der realen Angst, beim russischen Angriffskrieg zu sterben, quälte Dmytro Kyrpa vor allem die Erkenntnis, nichts an der Situation ändern zu können.

Das hat uns Dmytro kurz nach Kriegsbeginn erzählt. Er war in der IT-Branche in der Ukraine tätig und hat in Deutschland studiert. Jetzt haben wir wieder mit ihm gesprochen.

"Wir können nicht verzweifeln. Wir brauchen Hoffnung."
Dmytro Kyrpa von der Organisation "Repair Together"

Ein Jahr ist die Invasion der Ukraine durch Russland jetzt her. Der Krieg bedeutet Trauer, Verzweiflung - und das Klammern an die Hoffnung. "Wir brauchen Hoffnung", sagt Dmytro. "Wir können nicht verzweifeln."

Der fast täglich Raketenalarm hätte dazu geführt, dass die Menschen inzwischen weniger Angst davor hätten. Das sei psychologisch interessant zu beobachten. Um sich selbst zu schützen, würden die Menschen weniger Nachrichten konsumieren.

Aktiv gegen die Hilflosigkeit

Gegen das ohnmächtige Gefühl, hilflos zuschauen zu müssen, kämpft Dmytro aktiv an: Gemeinsam mit Freunden hat er zwei Monate nach Kriegsbeginn die Organisation "Repair Together" gegründet. Diese Gruppe von Freiwilligen fährt in die von Russland zerstörten und von der Ukraine zurückeroberten Gebiete und organisiert dort Aufräum-Raves.

"Es ist wichtig, dass die Leute ein normales Leben haben. Wir mischen die nützliche Tätigkeit des Aufräumens mit Partys und Konzerten – so geben wir ihnen ein bisschen Lebensfreude."
Dmytro Kyrpa von der Organisation "Repair Together"

Die Idee mit der Musik sei nach zwei Monaten gekommen, anfangs hätten sie nur aufgeräumt und etwa 20 Häuser repariert, erzählt Dmytro. Sehr viele Freiwillige hätten ihre Hilfe für den Wiederaufbau angeboten. Um diesen Freiwilligen ein bisschen das Gefühl eines normalen Lebens zu geben, kamen die Partys und die Musik dazu.

Event als psychologische Hilfe für die Helfer*innen

Das Ganze ist auch eine Art Bewältigungsstrategie: Anpacken für die Menschen in den bombardierten Dörfern - und psychologische Hilfe für die Helfer*innen selbst.

"Die Leute in den Dörfern bekommen von uns Hilfe – und auf diese Weise helfen wir uns auch selbst!"
Dmytro Kyrpa von der Organisation "Repair Together"

Repair together macht drei Arten von Events:

  1. Aufräumen in den Dörfern (ohne Raves): Nach einer Recherche, wie viele Häuser zerstört worden sind und was dringend getan werden muss, werden Freiwillige – bis zu 300 – in den Städten mit Bussen aufgesammelt und in die Dörfer gebracht. 10 bis 15 Teams von etwa 20 Leuten arbeiten dort am Wochenende, meistens am Samstag und Sonntag. Es wird gecampt. Sonntags gibt es am Ende manchmal noch ein Konzert.
  2. Der "Clean-up-Rave": Alle Freiwilligen werden an einen Ort gebracht – zum Beispiel in ein wichtiges Gebäude im Dorf, das zerstört wurde, etwa das Kulturzentrum. Dort wird dann – begleitet von DJs und Musik – aufgeräumt. Dauer: Ebenfalls zwei Tage am Wochenende samt Camping.
  3. Baucamps von Donnerstag bis Sonntag, bei denen komplette Häuser neu aufgebaut werden. Ende 2022 wurden laut Dmitriy 18 dieser Camps organisiert. "Repair together" bringt sowohl freiwillige Arbeiter*innen als auch Architekten und Fachpersonal an die Einsatzorte.

Hoffnung auf Frieden

Die Menschen in der Ukraine hoffen auf Frieden, sagt Dmytro. Doch die meisten - er selbst gehört dazu - glauben nicht daran, dass sich diese Hoffnung bald erfüllt.

"Unsere Haupthoffnung ist, dass der Krieg zu Ende sein wird. Aber das ist nur eine Hoffnung - nicht viele Leute glauben daran. Momentan ich auch nicht leider."
Dmytro Kyrpa von der Organisation "Repair Together"

Die Pläne für die nahe Zukunft von "Repair together" sind klar: Helfen, wo es nur geht. Mit möglichst vielen Freiwilligen. So vielen Menschen wie möglich.

Shownotes
Ein Jahr Invasion der Ukraine
"Repair together": Aufräum-Raves gegen die Verzweiflung
vom 25. Februar 2023
Moderation: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Dmytro Kyrpa von der Organisation "Repair Together"