Nein, wenn die Polizei zählt, ist das noch keine wissenschaftliche Kriminalstatistik, sagt Kriminologe Martin Thüne. Als Datengrundlage für politisches Handeln eigne sich die PKS nicht. Ein Blick auf Zahlen und darauf, wie es besser ginge. Mit Dunkelfeldanalysen beispielsweise.

Am 09.04.2024 haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und BKA-Chef Holger Münch offiziell die bundesweite Kriminalitätsstatistik der Polizei – kurz PKS – für 2023 vorgestellt. Mit 41,1 Prozent ergibt sich der seit 1987 höchste Anteil an Tatverdächtigen mit ausländischem Pass bei polizeilich registrierten Straftaten. Außerdem zeigen die Zahlen einen deutlichen Anstieg bei der polizeilich gezählten Kinder- und Jugendkriminalität. 13,8 Prozent der Tatverdächtigen waren demnach im Jahr 2023 minderjährig.

Eine polizeiliche Arbeitsstatistik

Die beiden bereits genannten Zahlen zum Alter und zum überrepräsentierten Nichtdeutschsein der Verdächtigen sind vorab bekannt und politisch gedeutet geworden. Martin Thüne kritisiert das, denn für ihn ist die PKS eine Arbeitsstatistik der Polizei im Bereich der polizeilichen Strafverfolgung.

"Es ist in Teilen ein Theaterschauspiel, was jedes Jahr aufgeführt wird und viele, viele Leute, die sich professionell damit befassen, sind genervt."
Martin Thüne, Kriminologe, Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung des Landes Schleswig-Holstein

Der Kriminologe weist darauf hin, dass Staatsanwaltschaften, die Gerichte und der Strafvollzug ihre eigenen Statistiken führen. Schon seit langem werde seitens der Kriminalistik eine Verlaufsstatistik gefordert, mit der dann beispielsweise auch erfasst wird, ob sich aus den polizeilichen Verdachtsfällen überhaupt Verfahren ergeben. Martin Thüne lehrt Kriminologie am Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung des Landes Schleswig-Holstein.

"Es gibt Dunkelfeldstudien, die wissenschaftlich erstellt werden, im Gegensatz zur PKS."
Martin Thüne, Kriminologe, Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung des Landes Schleswig-Holstein

Es gebe aus der Wissenschaft seit langem Vorschläge, Kriminalität umfassender und realistischer statistisch abzubilden als mit der PKS, so der Kriminologe.

PKS als Schauspiel

"Es ist nicht so einfach. Man muss da ein bisschen Gehirnschmalz und Zeit und sicherlich auch Geld investieren, wenn man diese Systeme umstellen will", sagt Martin Thüne. Positiv hebt er die bundesweite Dunkelfeldstudie "Sicherheit und Kriminalität in Deutschland" hervor. Sie wird alle zwei Jahre durchgeführt.

"Wenn diese Hellfeldstatistik der PKS so schlecht ist, würde ich vorschlagen, gänzlich darauf zu verzichten, diese als alleinige Datengrundlage bei diesen jährlichen Schauspielen heranzuziehen."
Martin Thüne, Kriminologe, Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung des Landes Schleswig-Holstein

In der PKS sind für 2023 insgesamt 5,94 Millionen Straftaten erfasst worden. Das stellt im Vergleich zu den Jahren 2017 bis 2022 eine Steigerung dar. Die Zahl von 2023 liegt aber jeweils unter dem Niveau jedes einzelnen Jahres von 1994 bis 2016, wie die Tabelle zeigt.

Bei den Wohnungseinbrüchen zeigt sich zum Vorjahr eine Steigerung von 18 Prozent, bei Diebstahl eine Steigerung von 10 Prozent, bei Raub von 17 Prozent. Insgesamt hat die Zahl der Gewaltdelikte um 8 Prozent zugenommen.

Johannes Kuhn, Deutschlandfunk Hauptstadtstudio, über die Kriminalitätsstatistik der Polizei und den hohen Anteil von Nichtdeutschen unter den Verdächtigen
"15 Prozent der Bevölkerung insgesamt hat keinen deutschen Pass. Menschen aus dem Ausland sind da also überproportional repräsentiert."

Johannes Kuhn arbeitet im Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks und sagt, das Bundeskriminalamt habe Erklärungsansätze für diese Steigerungen aufgeführt.

  • die Nachwirkungen der Corona-Pandemie
  • die hohe Inflation und in der Folge materielle Härte
  • starke Zuwanderung innerhalb eines kurzen Zeitraums

Der BKA-Präsident Holger Münch habe diese drei Gründe für den Anstieg der Deliktzahlen in der polizeilichen Zählung genannt.

Shownotes
Kriminalstatistik der Polizei
Kriminologe: "In Teilen ein Theaterschauspiel"
vom 10. April 2024